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Abhandlungen

der Königlichen Akademie der Wissenschaften

zu Berlin.

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Abhandlungen

der

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Akademie der Wissenschaften

zu Berlin.

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Aus dem Jahre A 1892. o.

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Nebst der Geschichte der Akademie in diesem Zeitraum.

Erster Theil.

Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften.

4 In Commissıon bei F. Dümmler

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Abhandlungen.

ö Physikalische Klasse. “ERMAN über epoptische Figuren des Arragonits ohne vorläufige Polarisation ..... Seite 1 “Derselbe über Erzeugung von Electromagnetismus durch blofse Modification der

Vertheilung der Polarität in einem unbewegten Magnet......... 27 UVKuntn über die Blüthen- und Fruchtbildung der Cruciferen ............rr 00: - 33 “Derselbe über einige Aublet’sche Pflanzengattungen ......v.ereceerernenn 43 vWeıss: Viorbeeriffe zu.emer. Gohäsionslehre. nz... neues: - 57 “Link de structura caulis plantarum Monocotylearum-zusneerersauencenen - 85

“Krus: Bericht über eine auf Madagascar veranstaltete Sammlung von Insecten aus der Ordnung. Coleoptera.:....os..sor 0.0.00: re ade - 9 EHRENBERG: Beiträge zur physiologischen Kenntnils der Corallenthiere im Allgemei- nen, und besonders des rothen Meeres, nebst einem Versuche zur j physiologischen Systematik derselben. .........-.2-.22ee0000. - 225 VDerselbe über die Natur und Bildung der Corallenbänke des rothen Meeres und über einen neuen Fortschritt in der Kenntnils der Organisation im kleinsten Raume, durch Verbesserung des Mikroskops von Pistor UNUSSchieik.. Aesanssa Sie aresassuerane äusseren one seen ee - 381

Mathematische Klasse.

POSELGER: Beiträge zur unbestimmten Analysis... ...2...-scecceneeeerennnn Seite 1 “ÜRELLE von einigen Sätzen aus der Theorie der Zablen........c.ueszeor0.. - 33 VEXTELWEIN über die Lage der neutralen Axe, welche beim Zerbrechen der Körper

Y VOrKOmmE ee ee ed ee ee ee ee - 69 DirKsENn über die Bedingungen der Convergenz und der Divergenz der unendlichen

Ieihenae Pe Wehe ee refehet ekaiin. eVelea ae ee re iegere it!

Historisch-philologische Klasse. Borcku über den Plan der Atthis des Philochoros ... 22... .22222222200.. Seite 1 HorrmAnN: Die Wirkungen der asiatischen Cholera im preufsischen Staate während des Jahres 1831. Nach den bei dem statistischen Büreau eingegan-

Benene Nachrichten ee ee ee - 33 “MEineKe: Kerkidas, der Dichter und Gesetzgeber von Megalopolis ............ - 91 “Derselbe über den Dichter Rhianos von Kreta .......:...2enceeeeeeeeenn - 99 “LEVEZOW über die Entwickelung des Gorgonen-Ideals in der Poesie und: bildenden

Kunst der Alten....... "urlaralsrenedastie.n s.lelsgs. avslsnelztätste ofnks ertte - 137 LAcumann über althochdeutsche Betonung und Verskunst (Erste Abtheilung.) .... - 235 “IDELER über die Zeitrechnung von Chatä und Igür...........222ceeeeeeen. - 271

WBranDıIs: Farietas lectionis Aristotelicae 2.222 c nennen - 301

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Jahr 1832.

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An ‚Donnerstage den 26. Januar hielt die Königliche Akademie der Wissenschaften eine öffentliche Sitzung zur Feier des Jahres- tages Friedrichs des Zweiten, welche durch die Gegenwart Ih- rer Königl. Hoheiten der Prinzen Wilhelm und Karl, Söhne Seiner Majestät des Königs, und des Prinzen August verherrlicht wurde. Herr Schleiermacher eröffnete dieselbe als vorsitzender Sekretar, und gab zugleich Nachricht von den bei der Akademie im letzten Jahre vorgekommenen Veränderungen. Hierauf las Herr Lachmann eine Abhandlung des abwesenden Herrn von Savigny über den Schutz der Minderjährigen bei den Römern, und zunächst über die Lex Plaetoria. Zum Schlufs las Herr Garl Ritter eine Ab- handlung über die Geschichte der Entdeckung des Altai-Gebirges. Die öffentliche Sitzung der Königlichen Akademie der Wis- senschaften am 5. Julius zum Andenken ihres Stifters Leibnitz eröffnete der vorsitzende Sekretar Herr Encke. Hierauf hielten die neu erwählten Mitglieder der Akademie, die Herren Heinrich Ritter, Eichhorn, Levezow, Ranke, Dirichlet und Rose, ihre Antrittsreden und wurden von den Sekretaren ihrer Klassen bewillkommnet. Der Sekretar der philosophisch -historischen Klasse, Herr Wilken, berichtete über den Erfolg der von dieser Klasse im Jahre 1830 gestellten Preisaufgabe. Sie betraf ‚‚die Verwaltung

1

der Provinzen des Arabischen Reichs zur Zeit der Selbständigkeit des Chalifats.” Es war nur eine Beantwortung eingegangen, be- zeichnet mit einem Spruche des Koran. Die Klasse hatte indes- sen kein Bedenken getragen, dieser Abhandlung, wodurch der mor- genländischen Litteratur ein wichtiges Werk über einen Gegenstand gewonnen ist, der bisher nur auf sehr unbefriedigende Weise be- handelt war, den ausgesetzten Preis von 100 Dukaten zuzuerken- nen. Bei der Eröffnung des versiegelten Zettels fand sich als Ver- fasser Herr Joseph von Hammer zu Wien genannt. Der Sekre- tar der mathematischen Klasse, Herr Encke, machte sodann die neue Preisfrage dieser Klasse bekannt. Sie betrifft ‚„„die genaue und vollständige Bestimmung der Bahn des zuletzt erkannten Kometen von kurzer Umlaufszeit (des sogenannten Biela’schen), aus den sammtlichen vorhan- denen Beobachtungen, mit Einschlu/s der noch zu hof- fenden diesjährigen.” Der grofsen Ausdehnung der Arbeit wegen setzt die Klasse den Termin der Preis-Ertheilung auf 4 Jahre hinaus. Die Preisschrif- ten müssen unter den üblichen Formen vor dem 1. März 1836 bei der Akademie eingegangen sein. Der Preis von 50 Dukaten wird in der öffentlichen Sitzung zur Gedächtnifsfeier von Leibnitz in demselben Jahre zuerkannt werden. Zum Beschlufs las Herr Eh- renberg eine Abhandlung über die Corallenbänke des rothen Mee- res, nebst ferneren Beiträgen zur Kenntnifs der Corallenihiere. Die Kürze der für eine solche öffentliche Sitzung bestimmten Zeit er- laubte nicht die Lesung des mit dieser Abhandlung in genauer Verbindung stehenden Berichts desselben Verfassers über einen neuen beträchtlichen Fortschritt in der Kenntnifs der Organisation im kleinsten Raume, vermöge der Verbesserung der Mikroskope durch die Herren Pistor und Schick.

III

Die öffentliche Sitzung der Königlichen Akademie der Wis- senschaften am 9. August 1832 zur Geburtsfeier Sr. Majestät des Königs eröffnete in Abwesenheit des vorsitzenden Sekretars der phi- losophisch-historischen Klasse, Herrn Wilken, der Sekretar der physikalisch-mathematischen Klasse, Herr Encke. Hierauf las Herr Meineke über den Dichter Rhianos von Kreta, und Herr Leve- zow über die Entwickelung des Gorgonen-Ideals in der Poesie und

bildenden Kunst der Alten.

Von dem Corpus Inscriptionum graecarum sind bis jetzt erschienen der erste Band und Fasc. I. des zweiten. Zum Behuf dieses Werks wurde von Herrn Pittakes in Aegina eine Sammlung griechischer Inschriften für 155 Rthlr. 8 Sgr. angekauft.

Für Kopirung der in Paris befindlichen Handschriften des Nicephorus Gregoras und der Chronik von Morea zum Be- huf des Abdrucks in dem Corpus historiae Byzantinae wurden

600 Franken bewilligt.

Zu Übersetzungen aus chinesischen Werken durch Herrm Dr. Schott, zum Behuf der geographischen Forschungen des Herrn C. Ritter, wurden 200 Rthlr. angewiesen.

Die Akademie hat von Herrn Gambay in Paris ein Incli- natorium für den Preis von 950 Franken, und von den Herren Pistor und Schiek hieselbst ein Declinatorium für 270 Rthlr. anfertigen lassen.

IV

Im Jahr 1832 sind ernannt worden

zu ordentlichen Mitgliedern

der physikalisch - mathematischen Klasse:

Herr Dirichlet,

H. Rose;

der philosophisch - historischen Klasse:

Herr Heinrich Ritter,

Hoffmann, Ranke, Levezow, Eichhorn ;

zu auswärtigen: Mitgliedern

der philosophisch - historischen Klasse:

Herr ZLetronne in Paris,

Victor Cousin in Paris,

v. Schelling in München, Jacob Grimm in Göttingen, Lobeck in Königsberg,

Fried. Jacobs in Gotha;

zu CGorrespondenten

der physikalisch - mathematischen Klasse:

Herr de Poniecoulant in Paris,

Plana in Turin,

Gergorne in Montpellier,

Graf Libri aus Florenz in Paris,

Fried. Ernst Ludwig Fischer in St. Petersburg, Otto in Breslau,

Hansen auf der Sternwarte Seeberg bei Gotha. Struve in Dorpat,

Poncelet in Metz,

Herr Quetelet in Brüssel,

v. Martius in München,

v. Ledebour in Dorpat, Purkinje in Breslau, Wallich in London, Gotthelf Fischer in Moskau;

der philosophisch - historischen Klasse:

" Wilhelm Grimm in Göttingen,

Brandis in Bonn,

Gerhard in Rom,

Graf} in Königsberg, gegenwärtig hier, Raoul- Rochelte in Paris,

Constantinus Oeconomus in St. Petersburg.

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VI

Gestorben sind im Jahre 1832:

Herr ‚Rudolphi, ordentliches Mitglied der physik.-math. Klasse.

Baron Cuvier in Paris, auswärt. Mitgl. der physik.-math. Klasse. Scarpa in Pavia, desgl.

v. Göthe in Weimar, ausw. Mitgl. der philos.-hist. Klasse. Dodwell aus London, gestorben in Rom, Ehrenmitglied.

v. Zach in Paris, desgl.

v. Loder in Moskau, desgl.

Baron ». Schlotheim in Gotha, desgl.

Graf Oriani in Mailand, Corresp. der physik.-math. Klasse. Abel- Remusat in Paris, Corresp. der philos.-hist. Klasse. v. Dlaramberg in Odessa, desgl.

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Verzeichnils der Mitglieder und. Correspondenten der Akademie. December 1832.

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I. Ordentliche Mitglieder.

Physikalisch-mathematische Klasse.

Herr Grüson. Herr Oltmanns. - Hufeland. - Encke, Sekretar. - Alexander v. Humboldt. - Dirksen.

- Hermbstädt. - Poselger.

- Eytelwein. - Ehrenberg. - m. Buch. - Crelle.

- Erman, Sekretar. - Horkel.

- Lichtenstein. - Klug.

- MWeifs. - Kunth.

- Link. - Dirichlet. - Mitscherlich. - Rose.

- Karsten.

Philosophisch-historische Klasse.

Herr Hirt, Veteran. Herr C. Ritter. - Ancıllon. - Bopp. - FWilhelm v. Humboldt. - m. Raumer. - Uhden. - Meineke. - ‚Schleiermacher, Sekretsr. - Lachmann. - Ideler. - H. Ritter. - wv.Savigny. - Hoffmann. - Boeckh. - Ranke. - Bekker. - Levezow.

- Wilken, Sekreur. - Eichhorn.

VIII

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Auswärtige Mitglieder.

Physikalisch-mathematische Klasse.

Herr Arago ın Paris.

Herr

Herr

Berzelius in Stockholm. Bessel in Königsberg. Blumenbach in Göttingen. Gaufs in Göttingen.

Herr Jussieu in Paris.

van Marum in Haarlem. Olbers in Bremen. Poisson in Paris.

Philosophisch-historische Klasse.

Cousin ın Paris.

Jacob Grimm in Göttingen. Heeren in Göttingen. Gottfried Hermann in Leipzig. Jacobs in Gotha.

III.

©. F. S. Freih. Stein vom Altensteir in Berlin.

Imbert Delonnes in Paris.

Ferguson in Edinburgh.

WYilliam Gell in London.

William Hamilton in Neapel.

v. Hisinger auf Köping und Skins- katteberg in Schweden.

Graf v. Hoffmansegg in Dresden.

TI. F. Freih. v. Jacquin in Wien.

Herr Zetronne in Parıs.

Lobeck in Königsberg. Silvestre de Sacy ın Paris. v. Schelling in München. A. W.v. Schlegel ın Bonn.

Ehren-Mitglieder.

Herr Colonel Zeake in London.

Lhuilier in Genf.

v. Lindenau in Dresden.

Gen. Lieut. Freih. v. Minutoli in Berlin.

-Gen. Lieut. Freih. v. Müffling ın

Münster. Preyost in Genf. C. Graf v. Sternberg in Prag. Stromeyer in Göttingen.

IV. Gorrespondenten.

Für die physikalisch-mathematische Klasse.

Accum ın Berlin. Ampere in Paris. v. Autenrieth in Tübingen.

Herr Elie de Beaumont in Paris. P. Berthier in Paris. Biot ın Paris.

Herr

Brera in Padua. Brewster in Edinburgh. Brongniart in Paris. Rob. Brown in London. Bürg in Wien.

Caldani in Padua.

de Candolle in Genf. Carlini in Mailand. Carus in Dresden. Configliacchi in Pavia. Dalton in Manchester. Desfontaines in Paris. Dulong in Paris.

F.E.L. Fischer in St. Petersburg.

Gotthelf Fischer in Moskau. Flauti in Neapel.

Florman in Lund.

Freiesleben in Freiberg. Gay-Lussac in Paris. Gergonne in Montpellier. Gmelin in Heidelberg.

Hansen auf Seeberg bei Gotha. Hansteen in Christiania. Hausmann in Göttingen.

Herschel in Slough bei Windsor.

C. G. I. Jacobi in Königsberg. Jameson in Edinburgh. Ivory in Edinburgh. Kielmeyer in Stuttgard.

v. Krusenstern in St. Petersburg.

Larrey in Paris. Latreille in Paris.

v. Ledebour in Dorpat. Legendre in Paris. Graf Libri in Florenz.

IX

Herr v. Martius ın München.

Möbius in Leipzig.

Mohs in Wien.

von Moll in München. van Mons in Brüssel. Nitzsch in Halle.

Oersted in Kopenhagen. v. Olfers in Bern.

Otto in Breslau.

Pfaff in Kiel.

Plana in Turin.

Pohl in Wien.

Poncelet in Metz.

de Pontecoulant in Paris. de Prony in Paris. Purkinje in Breslau. Quetelet in Brüssel.

I. C. Savigny in Paris. Schrader in Göttingen. Schumacher in Altona. Marcel de Serres in Montpellier. C. Sprengel in Halle.

v. Stephan in St. Petersburg. Struve in Dorpat.

Tenore in Neapel. Thenard in Paris. Tiedemann in Heidelberg. Tilesius in Mühlhausen. Treviranus d.ält. in Bremen. Trommsdorf in Erfurt. Wahlenberg in Upsala. FWVallich in London.

E. H. Weber in Leipzig. Wiedemann in Riel. Woltmann in Hamburg.

Für die philosophisch-historische Klasse.

Avellino in Neapel. Beigel in Dresden. Döttiger in Dresden.

Herr Brandis in Bonn.

Bröndsted in Kopenhagen. Cattaneo in Mailand.

x

Herr Graf Clarac in Paris.

Herr Jomard ın Paris.

- Constantinus Oeconomus in St. Pe- -

tersburg. - Degerando in Paris. - Delbrück in Bonn. - Freytag in Bonn. - Fries ın Jena. - Del Furia in Florenz. - Gerhard in Rom. - Gesenius in Halle. - Göschen in Göttingen. - Graff in Königsberg.

- FWilh. Grimm in Göttingen.

- Halma in Paris.

- Hamaker in Leyden.

- ©». Hammer ın Wien.

- Hase ın Paris.

- van Heusde in Utrecht.

- ®». Hormayr in München.

v. Köhler in St. Petersburg. Kosegarten in Greifswald. Kumas in Smyrna. Lamberti in Mailand.

w. Lang in Anspach.

Linde in Warschau.

Mai ın Rom.

Meier in Halle.

K. O. Müller in Göttingen. Mustoxides ın Corfu. Neumann in München.

Et. Quatremere in Paris. Raoul- Rochette in Paris. Ridolfi in Padua. ‚Schömann in Greifswald. ‚Simonde - Sismondi in Genf. Thiersch in München.

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Physikalische

Abhandlungen

der Köni g lichen Akademie der Wissenschaften

zu Berlin.

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Aus dem Jahre 1832:

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Berlin.

Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften.

1834.

In Commission bei F. Dümmle:.

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Über epoptische F iguren des Arragonits ohne vorläufige Polarisation.

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[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 12. Juli 1832.]

\ Vonn eine durchgängige Vergleichung aller Eigenschaften des Arragonits mit denen des Kalkspaths ein Gegenstand des gespannten Interesses in den letzten Decennien geworden, so ist kaum wahrscheinlich dafs eine höchst paradoxe, zur Zeit absolut unparallelisirte optische Erscheinung beim Arra- gonit, welche vielleicht geeignet ist unsere Ansichten in einem der wichtig- sten und schwierigsten Theile der neueren optischen Disciplin zu modifici- ren, der Aufmerksamkeit ganz entgangen sei. Da ich jedoch keine Erwäh- nung davon weder bei Herschel noch bei Brewster finde, selbst da nicht wo er angelegentlich den Arragonit abhandelte, und da die Bedingungen von welchen die Erscheinung abhängt, nur selten bei den Arragonit-Krystallen in erwünschter Vollkommenheit sich aussprechen und dadurch das Übersehen wohl denkbar machen, so erlaube ich mir, da ich es nicht besser weils, über meine Wahrnehmungen zu berichten, als wenn sie absolut so neu wären wie sie es für mich waren, und noch sind. Die Erklärung, jeder nachzuwei- senden etwanigen Priorität ihr volles Recht zu gestatten, diene hiermit als vorläufige Desinficirung der Plagiat - Seuche.

Bekanntlich sind wenig Krystalle so mit Zusammen - und Ineinander - Wachsungen behaftet wie die des Arragonits. Auch wenn die Säulen die gröfste einfache Regelmäfsigkeit zu verheifsen scheinen, findet man doch meistens bei genauer Untersuchung der Zuspitzungs-Flächen, die Merkmale einer Zusammenfügung mehrer Individuen; und führt man einen Schnitt senkrecht auf die Axe der Säule, so sieht man Lagen, die man leicht, aber irrig für Durchgänge von Blättern halten könnte, welche sich in verschie-

Phys. Abhandl. 1832. A

2 Erman über epoptsche Figuren des Arragonits

dentlich gegeneinander geneigten, mit der Hauptaxe der Säulen parallelen Ebenen durch die ganze Länge des Krystalls in gröfserer oder geringerer Anzahl fortsetzen.

Giebt man einem Arragonit-Krystall zwei senkrecht auf die Axe der Säule geführte Schnitte, und polirt sie, um Durchsichtigkeit zu erhalten, so kann man mittelst einer das Licht polarisirenden Tafel und eines analy- sirenden Turmalins, die normalen Depolarisations-Figuren des Arragonits beobachten, jedoch nur in den Stellen, die frei sind von den eben er- wähnten Absonderungs- oder Zusammenfügungs-Ebenen. Das Hindernifs welche diese letzteren bedingen ist bereits anerkannt: so namentlich erklärte Brewster, wie Biot für Arragonit nur eine Depolarisations-Axe finden konnte, während der Krystall offenbar doch zu den zweiaxigen gehört. In mehren Exemplaren, die sich zufällig dazu eigneten, sah ich die doppelte Figur mit gröfster Bestimmtheit, und wenn in einigen Fällen die Winkel, welche die zwei optische Axen unter sich machten, mir von beiläufig 20° sich ergaben, Brewster aber 18° 18’ annimmt, so submittire ich seiner vollwich- tigen Autorität um so mehr, da man bei diesen Krypto-Zwittern nie die vollkommene Sicherheit hat, ob nicht der’Lichtstrahl aus der Substanz des einen Krystalls in die des benachbarten gelangt ist, welches natürlich die Verhältnisse bedeutend ändert, sogar gänzlich intervertirt, wie ich in meh- ren Fällen nachweisen kann, und Biots Mifsgriff es beweiset.

Da mir keine Beschreibung der Depolarisations -Figuren des Arrago- nits bekannt ist, und um an das Folgende sicherer anzuschliefsen, sei gesagt, dafs diese Figuren nur schwach gezeichnet sind, mit ganz engen kaum in Farben zerfallenden Ringen, und mit nur zwei dunkelen vom Mittelpunkt auslaufenden Schweifen, während beim Kalkspath stets deren vier das mit den lebhaftesten Farben ausgeschmückte System der Ringe durchkreuzen.

An den Grenzen wo die optische Figur die eben erwähnten, den Kry- stall durchsetzenden Streifen oder Absonderungs-Flächen erreicht, zeigen sich Rudimente zweier anderen farbenreicheren Figuren, die auf eine ganz verschiedene Zeichnung deuten, und die, als ich sie näher untersuchte, ei- nen grofsen Reichthum der paradoxesten und anomalsten Erscheinungen darboten.

Um sich in diesem Labyrinth leichter zu orientiren, wähle man einen Arragonit-Krystall, der nur einen einzigen, oder mindestens nur einen aus-

ohne vorläufige Polarisation. 3

gezeichnet vorwaltenden, mit der Axe der Säule parallel laufenden Streifen hat; das Vorhandensein mehrerer derselben von gleicher Intensität neben- einander, oder sogar gegeneinander geneigten, ist zwar das gewöhnlichere, aber ungemein störend ehe man das Normale aufgefafst hat. Dem gewähl- ten Krystall schleife man zwei parallele Endflächen senkrecht auf die Axe der Säule, so dafs man längst derselben vollkommen durchsehen kann. Hält man alsdann den Krystall so, dafs die ganze Ebene des Streifens in der Verlängerung des Lichtstrahls liegt, und der Streifen selbst sich nur als eine feine Linie kaum mehr wahrnehmen läfst, so erscheint jeder hindurch gese- hene Gegenstand einfach und ohne zufällige Farben. Wendet man nun den Krystall im Azimuth so, dafs die Ebene des Streifens schräg zu stehen kommt gegen das unverrückt gehaltene Auge, so erscheinen drei Bilder des Gegen- standes; das früher geradeausgesehene bleibt nämlich unverrückt, und zu jeder Seite desselben entsteht ein neues. Von den Farben dieser sekundären Spektra und ihrem meistens complementaren Gegensatze zum unveränderten geradeausgesehenen abstrahiren wir vor der Hand, und bemerken blos, dafs das mittlere Bild nichts von seiner Lichtstärke zu verlieren scheint, wenn bei gehöriger Neigung der Streifen-Fläche gegen das Auge, die sekun- dären Bilder neben ihm entstehen.

Die zwei sekundären Nebenbilder sind entgegengesetzt polarisirt; denn sieht man gerade aus durch die geneigte Ebene eines Streifens im Arragonit nach einem Gegenstande, so verschwindet stets eins der zwei Nebenbilder, je nachdem man eine analysirende Platte von Turmalin oder Kalkspath wendet, mittelst welcher man die Bilder beobachtet. Dasselbe zeigt sich wenn man polarisirtes Licht durch einen senkrecht auf die Axe geschnittenen Kry- stall mit doppelter Strahlenbrechung, oder durch eine zu epoptischen Figu- ren bereitete Glastafel gehen läfst, und durch eine gegen das Auge geneigte Ebene eines Streifens im Arragonit beobachtet: man erhält stets die zwei entgegengesetzten epoptischen Figuren des so beobachteten Krystalls; das lichte Kreuz zu einer Seite des unverrückten Bildes, das dunkele von der anderen Seite, und mit jeder Wendung des Arragonits um seine Axe ändert sich der Werth und die Stellung der zwei entgegengesetzten epoptischen Figuren.

Dieselben Resultate erhielt ich von Exemplaren des Kalkspaths,

welche ähnliche durchsetzende Ebenen von Streifen zeigen, die man früher A2

4 Erman über epopüsche Figuren des Arragonits

wohl für anomale Durchgänge der Blätter hielt, jetzt aber wohl mit Recht mehr geneigt ist als Zusammenfügungs -Flächen hemitropischer Zwillinge zu betrachten. Verdreifachung der Bilder mit polarischer Entgegensetzung der zwei lateralen, und Entstehung der lebhaftesten in complementare zerfal- lenden Farben erhält man hier wie beim Arragonit, nur sind die Neigungs- Winkel, welche die Streifen-Ebene mit der Senkrechten zum Auge machen müssen, wenn das dreifache Bild eben entstehen soll, bei beiden Arten von Krystallen verschieden. Für Arragonit finde ich diese Neigung 28° zu einer Seite und 32 zur andern, für Doppelspath hingegen 10° und 14°. Da es seine Schwierigkeiten hat die Streifen-Ebene so einzustellen, dafs man vollkom- men überzeugt sei sie stehe genau in der Senkrechten zum Auge, von welcher Stellung aus, als vom Mittelpunkt, die Neigungsgrade zur Rechten und zur Linken gemessen werden, so könnte man geneigt sein die Differenz zwischen 28° und 32°, und zwischen 10° und 14°, als die Grenze dieses Beobach- tungs-Fehlers zu betrachten, wenn nicht eine diesen zwei verschiedenen Stellungen entsprechende Verschiedenheit der Entfernungen der lateralen Spektra unter sich, auf etwas absolutes hindeutete.

Die Entstehung zweier entgegengesetzt polarisirten Bilder, wenn man durch die schräg gestellte Ebene der Streifen im Arragonit oder Kalkspath einen Gegenstand geradeaus betrachtet, fände allerdings sein analoges in den künstlichen Zusammenfügungen, welche für die Zwecke der Optiker aus entgegengesetzt gerichteten Schnitten des Kalkspaths construirt werden, um das ordinaire und extraordinaire Bild mehr- auseinander zu werfen. Die Natur hätte hier bei der postulirten Zwillingsgestaltung, terogene Flächen und Richtungen sich aneinander anlegen, (sonst wäre es ja derselbe continuirliche eine Krystall), der Künstelei der optischen Werk- statt vorgegriffen. Aber das gleichzeitige Sehen des mittleren unabgelenk- ten Bildes des Gegenstandes widersteht durchaus dieser erklärenden Analo- gie, denn bei jeder Combination der künstlich hemitropisirten Kalkspathe hat man stets sowohl beim geradeaus Durchsehn, als beim Durchstrahlen in der finsteren Kammer, nur zwei Bilder oder Spektra, und ganz constant deren drei bei Arragonit und Kalkspath. Nicht minder anomal ist die ausgezeich- nete Zerfällung in complementare Farben, welche in beiden Wegen der Untersuchung für Arragonit und Kalkspath statt findet, und wovon ebenfalls keine Spur ist bei dem künstlich hemitroposirten Doppelspath.

wo nothwendig he-

ohne vorläufige Polarisation. 5

Geleitet, oder vielleicht wie ich jetzt fast glaube, verführet durch diese Anomalien, hatte ich anfänglich versucht an eine ganz verschiedene Analogie anzuknüpfen, und bei der störenden Unklarheit der einzigen Exemplare die ich damals besafs, und wo immer mehrere Schichten parallel nebenein- ander lagen, bildete sich für die sogleich zu erwähnenden hohen Paradoxien des Arragonits eine eben so paradoxe Theorie, über welche ich jedoch, wenn gleich sie wie alle andere manches erklärt und manches nicht, den Stab zu brechen nicht abgeneigt bin.

Der Ausgangspunkt dieser Erklärung ist das Postulat, die Ebenen, welche den Arragonit und den Kalkspath durchsetzen sind gestreift, sie bil- den gleichsam mikroskopische Streifen-Gitter und es lassen sich folglich von diesen Ebenen die Diffractionserscheinungen erwarten. Der perlmutterar- tige Farbenschiller dieser Durchgangsebenen, die Constanz der geradlinigten Richtung, nach welcher die drei Bilder stets nebeneinander sich reihen, ent- sprechend den Wendungen die man dem Krystall giebt, selbst die unmittel- bare Wahrnehmung durch das Mikroskop, welche jedoch zweideutig ist, weil man sie beziehen kann auf die den äufseren Flächen zu gebende Politur, begünstigen dieses Postulat, welchem auch die Theorie nicht ungünstig ist, denn der ins feinste gehende Durchgang der Blätter läfst ein solches erwar- ten, da wo die unterbrochenen Schichten - Köpfe im hemitropirten Zwillinge aneinander stofsen. So wie nun Perlemutter durch Reflexion drei Bilder einer Kerze giebt, das eine unverrückte und unveränderte, die zwei zu jeder Seite lateralen mit prismatischen Farben, und so wie durch Refraction ein sehr feines Faden-Gitter, ebenfalls ein mittleres unverändertes Bild und mehrere laterale prismatische Spektra, die wohl bei gewisser Neigung zu zwei laterale Hauptbilder sich summiren, während umgekehrt beim Arrago- nit aufser den zwei lateralen Bildern der Kerze eine Mehrheit derselben wahrzunehmen ist, so versuchte ich anfänglich diese Klasse von Erscheinun- gen an die Brewstersche und Frauenhofersche Analogie zu knüpfen. Als ich späterhin fand dafs, wie oben gesagt, die zwei lateralen Bilder des Arragonits und des Kalkspaths in einem polarischen Gegensatze stehen, welches bei den Brewsterschen und Frauenhoferschen nicht der Fall ist, so entstand die Frage, wie würden die reflectirten und refrangirten Er- gebnisse der Diffraction der Gitter sich modificiren, wenn sie, wie in meiner Hypothese für die Arragonit- und Kalkspath-Gitter, unter Einflufs der dop-

6 Ernman über epoptische Fıguren des Arragonits

pelten Strahlenbrechung entständen. Äufserst fein gestreifte Mikrometer, und die einzig schönen Frauenhoferschen Goldblattgitter wurden bestimmt und vorgerichtet zur Beobachtung zwischen Lamellen von Kalkspath nach verschiedenen Schnitten. Diese Untersuchungen mufsten jedoch zur Zeit abgebrochen werden, weil der Frauenhofersche Apparat eine anderwei- tige Bestimmung erhielt; aber das Problem ist an sich, und abgesehen von jeder hypothetischen Beziehung so wichtig und so neu, dafs der Faden der Untersuchung nicht für immer abgerissen bleiben soll.

Wir fahren fort die Eigenthümlichkeiten des Arragonits zur Sprache zu bringen. Sieht man geradeaus und ohne vorläufige Licht -Polarisation, nach irgend einem Gegenstande längst der Hauptaxe des Krystalls, so dafs der Lichtstrahl die Ebene einer Streifenfläche schräg durchwandert, und dafs man folglich das erwähnte dreifache Bild erblickt, so wird man bei ei- ner anderweitigen kleinen Wendung des Krystalls lebhaft überrascht durch Erscheinung einer prachtvollen epoptischen Figur, die an Lebhaftigkeit der Farbenringe und Bestimmtheit der Zeichnung diejenigen, die man an an- deren Krystallen durch vorhergegangene Polarisation des Lichtes erhält, weit hinter sich läfst. Da diese Figur nicht durch eine vorliegende polarisi- rende Fläche bedingt ist, so projezirt sie das Auge in unbedingte Ferne und entsprechende Gröfse bis etwa zu der kolossalen, wo sie ein oder mehrere Stockwerke eines gegenüberstehenden Gebäudes bedeckt, jedoch mit ent- sprechender Verwaschung der Farben, wie sich versteht.

Diese epoptischen Figuren des Arragonits entfernen sich von den Ana- logien der bis jetzt bekannten zuerst durch den Umstand, dafs man sie ohne alle vorläufige Polarisation des Lichtes erblickt, wovon man zwar einige schwache Spuren bei den epoptischen Figuren anderer Krystalle wahrnehmen kann, welche man vielleicht mit Recht einem schwachen Grad von Polarisation zuschreibt, der dem Tageslichte selbst oft zukommt; jedoch sind diese etwa- nigen Spuren ein wahrhaft Verschwinden gegen die absolute Unabhängigkeit der Arragonit-Figur von jeder vorläufigen Polarisation, welche so entschieden ist, dafs umgekehrt die Anwendung eines künstlich polarisirten Lichtes die Figur viel matter und unbestimmter giebt, während man sie am allerglänzend- sten erblickt mitten in der Flamme einer Argands-Lampe, von welcher sie unmittelbar entsteht und auf welche man sie projezirt. Ein zweiter Charakter, welcher diese Arragonit-Figuren von den bis jetzt bekannten sehr wesentlich

ohne vorläufige Polarisation. 7

unterscheidet ist der Umstand, dafs sie weder ihre Lage noch ihren Werth von Dunkelm oder Lichtem ändern durch die Wendung eines analysirenden Turmalins oder Doppelspaths, mittelst welcher man sie beobachtet; aller- dings erscheinen sie in dem einen Quadranten heller und im nächsten trüber, aber von einem Übergange vom Dunkeln zum Lichten, von einer Wendung der Schweife oder eines Wechsels der Farbenringe kann man keine Spur wahrnehmen. Drittens sind die epoptischen Figuren des Arragonits ihrer Zeichnung nach ganz verschieden von denen, die man bei Anwendung eines polarisirten Lichtes und einer analysirenden Platte von denjenigen Stellen des Arragonits erhält, die frei sind von Streifen und welche eben beschrieben worden sind in ihrer Duplicität in Beziehung auf die zwei Axen des Krystalls. Während diese mit jeder Wendung der analysirenden Platte ihre Lage und ihren Lichtwerth ändern, den Figuren gleichsam nur schattirte Schweife und kaum wahrnehmbare gefärbte Ringe zeigen, so haben die durch die schräge Ebene der Streifen geradeausgesehenen, die Zeichnung und Färbung derer des Mika oder Topas in gesteigerter Potenz. Eine darauf zu bezie- hende Modification der Figur, einem wirklichen Kreuz sich nähernd, kommt häufig vor und kann vielleicht für die Normale gelten, welche in den ver- schiedenen Individuen durch Lage und Vervielfältigung der Schichten - Ebe- nen abgeändert erscheint.

Angezogen durch diese und mehrere andere paradoxe Erscheinungen, und auch verleitet durch die vorgefafste Erklärungs-Hypothese, irrte ich lange in einem Labyrinth von Combinationen und Versuchen, die ich über- gehe, um nur derer zu erwähnen, die endlich gute Appraximationen zur Ätio- logie versprechend, denjenigen viel Zeit und Mühe ersparen werden, welche diesen Gegenstand weiter verfolgen möchten, und zugleich Gelegenheit ge- ben, manches nicht wenig überraschendes Detail dieser räthselhaften Erschei- nungen zur Sprache zu bringen.

Es handelt sich zuerst darum zu bestimmen wo im äufseren Raume die epoptische Figur des Arragonits gesehen wird. Hält man den Krystall in der vorgeschriebenen Lage, und es hat sich die Figur z. B. zur linken Hand des Beobachters gezeigt, so verschwindet sie, wenn man dem Krystall eine kleine Azimutal-Drehung giebt, erscheint aber wieder zur rechten Hand, wenn man diese Drehung allmählig fortsetzt, um bei weiterer Drehung wieder

8 Erman über epoptische Figuren des Arragonits

zu verschwinden; selbst bei dieser rohen Beobachtungsweise bemerkt man an den geradeausgeschenen umgebenden Gegenständen gleichsam Zonen des Hellen und Dunkeln an deren Grenzen das Erscheinen, Verschwinden und Wiedererscheinen der Figur gebunden scheint. Um dieses in Klarheit zu setzen, entferne man die störende Mannigfaltigkeit der Gegenstände dadurch, dafs man auf ein kreisrundes Loch von + Zoll beiläufig sieht in dem schlie- {senden Boden einer 1 bis 14 Fufs langen Röhre. Den Arragonit-Krystall hält man dicht vor das entgegengesetzte offene Ende der Röhre, und zwar in der gehörigen Neigung der Streifen-Ebene, so dafs drei von einander ge- trennte Bilder des Loches erscheinen. Durch ein geringes vorwärts oder rückwärts Neigen des Krystalls erblickt man die Figur mit dem dunkelen Kreuz und Schweif in dem einen z. B. dem linken Bilde; durch eine gerin- gere azimutale Wendung des Krystalls verschwindet die Figur im linken late- ralen Bilde und erscheint auf dem Rechten, ganz genau dieselbe an Stellung, Zeichnung und Färbung, aber im mittleren geradeausgesehenen Bilde er- blickt man sie nicht. Es ist hier eine grofse Paradoxie, dafs die epoptische Figur mit demselben Werth der Depolarisirung als dunkeles Kreuz erscheine im ordinären sowohl, wie im extraordinären Lichte, denn das sind offenbar die zwei lateral gesehenen Bilder allen bekannten Analogien gemäfs. Be- trachtet man nun mit gehöriger Aufmerksamkeit den Hergang der Erschei- nungen, so findet sich jedoch die Anschauung des Gegensatzes der Dunkeln zu der Lichten Figur schon beim freien Durchsehen nach entfernten Gegen- ständen, besser beim Gebrauch der das Sehen beschränkenden Scheibe in der Röhre, und am allerbestimmtesten wenn man dem Krystall, statt ihn in freier Hand zu halten eine Fassuung giebt; die auf festem Stativ erlaubt ihm die zwei Wendungen, in Azimuth und Höhe d.h. rechts und links, und nach vorn und hinten zu geben und ihn beliebig in jeder zu erhalten. Man sieht alsdann in der Stellung, wo das dunkele Kreuz im Felde des linken la- teralen Bildes erscheint, die korrespondirende Figur des lichten Kreuzes im mittleren Bilde, welche zwar nie die Lebhaftigkeit des Dunkeln erreicht, aber doch bis zur gröfsten Bestimmtheit gebracht werden kann. Wenn man nun durch die Wendung des Krystalls das dunkele Kreuz zu dem mittleren Felde vorrücken läfst, so verwechselt es seinen Werth in den der lichten Figur, sobald sie auf das mittlere Feld projezirt wird, und bei fernerer Fortrückung durch Drehung wird sie wiederum zur dunkeln, auf dem Felde

ohne vorläufige Polarisation. )

des folgenden lateralen Bildes. Dasselbe findet statt, wenn man das Licht durch Reflexion polarisirt, ehe man es durch den Krystall beobachtet, nur dafs wie natürlich die Farben minder lebhaft sind. Man kann sogar das durch Reflexion polarisirte Licht zuerst durch einen, epoptische Figuren ge- benden Krystall oder künstlich bereitetes Gas durchgehen lassen, ehe man es mittelst des Arragonits beobachtet, dann projeziren sich beide epoptische Figuren übereinander, ohne sich wechselseitig zu stören.

Es ist ein harter Stand diese Complication zurückführen zu sollen auf halbe Wellen-Längen der Undulationen, um so mehr, da alle Erfolge diesel- ben bleiben bei parallel einfallenden Strahlen, oder auch wenn man den Strahlen durch eine vorgehaltene Brennlinse eine entschiedene Convergenz zu einem Brennpunkte gegeben.

Aus dem Gesagten erhellt, wie bestimmt die Erscheinung dieser ep- optischen Figuren gebunden ist an die Verdreifachung des Bildes eines durch die schräg gehaltene Streifen-Ebene gesehenen Gegenstandes; den Beweis Je- doch, dafs diese Verdreifachung allein nicht hinreicht die Figur zu bedingen, erhält man durch comparative Untersuchung des mit gleichen Durchgän- gen oder Streifen-Ebenen versehenen Kalkspath. So verschieden gerichtet auch die Schnitte waren, die ich mehreren Krystallen dieser Art geben liefs, so fand ich keine epoptische Figur, welche bei den verschiedensten Richtun- gen des Durchsehens sich in irgend einem der drei Bilder gezeigt hätte, trotz dem, dafs diese in Stellung, Färbung und depolarisirender Wirkung auf an- derweitig polarisirtes Licht, sich denen des Arragonits vollkommen ähnlich zeigten. Welche ist nun diese zweite Bedingung, die dem Arragonit zu- kommt, dem Kalkspath abgeht, oder mit andern Worten, welche ist die Ae- tiologie, die wahre Genesis dieser so paradoxen epoptischen Figuren des Ar- ragonits, ohne jede vorangegangene Polarisation aufserhalb des Krystalls? Hat man sie darin zu suchen, dafs der Arragonit zwei Axen hat, und dafs in der Zusammenfügung seiner Zwillinge die seitwärts aus der Richtung der zweiten Axe kommenden Strahlen bei ihrem Durchgang durch die in der Richtung der ersten Axe der Säule gerichtete Ebene eine depolarisirende Modifica- tion erhalten? diefs ist plausibel, wenn gleich im Detail noch sehr unklar aus Mangel an Analogien. Erklärt wäre in dieser Ansicht, warum beim einaxi- gen Kalkspath unter scheinbar gleichen Umständen keine epoptische Figuren entstehen. Um über den Werth dieser Erklärungs-Hypothese peremtorisch

Phys. Abhandl. 1832. B

10 Erman über epoptische Figuren des Arragonits

zu entscheiden, müfste eine genaue Messung uns belehren über die Richtung der Strahlen welche die Figur geben und ihre anguläre Relation zur Strei- fen-Ebene. Wenn es aber leicht war zu bestimmen, wo im äufseren Raume die epoptischen Figuren des Arragonits sich projeziren, so ist es um so schwieriger den Ort wo sie im Krystall selbst entstehen aufzufinden, worauf doch die ganze Aetiologie des Phänomens beruht. Störend war mir bei die- ser Untersuchung, dafs ich keinen Krystall besafs, der nur eine einzige durch- setzende Schichten -Ebene gezeigt hätte: immer waren derer mehrere in pa- ralleler Richtung entweder ganz entschieden, oder doch bei den brauchbar- sten Exemplaren doch in sehr wahrnehmbaren Spuren vorhanden. Bei der grofsen Nähe des Auges, in welche man den Krystall bei der Beobachtung zu bringen hat, wird es unmöglich zu entscheiden, von welcher dieser Schichten- Ebenen die Figur die man sieht, wirklich und ausschliefslich entspringt, und von welcher Region des Krystalls der Lichtstrahl zu ihr gelangt, um so mehr, da in den zu gebenden Neigungen des Krystalls diese Streifen-Ebenen sich überdecken, oder mindestens sich wechselseitige Reflexe zuwerfen. Aber selbst bei einer einzigen Streifen -Ebene wäre die Breite der Pupille ein Hin- dernifs, wenn man in besagter Annäherung zur Streifen-Ebene bestimmen soll, ob man die Strahlen von der rechten oder linken Seite her bekommt, oder ob man sie geradeaus durch die Streifen-Ebene selbst sieht. Durch Bedeckung der vordern oder hintern Fläche der Krystall-Säule, mittelst ei- nes aufgeklebten durchsichtigen Schirmes, dem ich nur ein Punctum lucidum gab, suchte ich zwar, aber vergeblich, diese Schwierigkeit zu umgehen, und es blieb mir unmöglich durch Messung zu bestimmen, ob die Radü eflicaces der gesehenen Figur wirklich aus der Gegend der zweiten Axe emaniren, ehe sie die Streifen- Ebene durchwandern.

Sehr dienlich zur Lösung dieser Fragen wäre es gewesen, die epop- tischen Figuren des Arragonits zu beobachten, nicht blos subjektiv, sondern auch objectiv, nach dem für das Prisma eingeführten Sprachgebrauch, das heifst nicht blofs unmittelbar im Auge des Sehenden sich bildend, sondern sich nach aufsen auf ein Expansum projezirend, wie das Farbenspektrum in der finstern Kammer. Unstreitig war es das erstemal, dafs man für epopti- sche Figuren an so etwas denken konnte. Ich stellte einen Arragonit-Kry- stall in der genauen Stellung nach Azimuth und Neigung, wo es dem Auge

[e) die epoptische Figur mit gröfster Deutlichkeit zeigte, liefs dann im ganz fin-

ohne vorläufige Polarisation. 11

steren Zimmer einen Bündel paralleler Strahleu des Sonnenlichtes, oder auch fokal divergirende eines Luzernal-Mikroskops durch den Krystall streichen, konnte aber auf dem dahinter gehaltenen Expansum nie eine Spur von epoptischer Figur wahrnehmen, trotz dem dafs die Zerfällung in drei Bilder mit den zugehörigen Complementar-Farben und den Relatio- nen zum analysirenden Turmalin sich ganz deutlich aussprachen. Ob dieser, in seinem negativen Ausfall sehr paradoxe Erfolg, als unbedingt constant anzunehmen sei, oder ob fortgesetzte Bemühungen, und Variationen des Versuches am Ende doch die epoptische Figuren des Arragonits auf ein Ex- pansum nach aufsen projezirt zeigen werden, wie die Analogie es zu for- dern scheint, mufs ich vor der Hand dahin gestellt sein lassen.

Da die Beobachtung einer monochromischen Flamme mittelst des Ar- ragonits mir ebenfalls keine Auskunft über den fraglichen Punkt gab, so würde ich sie mit Stillschweigen übergehen, wenn nicht zwei Umstände die- ser Beobachtungsmethode ein gewisses Interresse zusicherten. Der erste Umstand ist die höchst überraschende Anzahl von Ringen, die man an der epoptischen Figur des Arragonits nun entdeckt. Alle Farben der Figur sind nun verschwunden, die ganze Zeichnung ist mit schwarzen Strichen versehen. Die entfernteren, in vielen Kreisen die Figur umgebenden Ringe, die sich früher der Wahrnehmung entzogen, weil ihre Farben und die Gegensätze der- selben zu schwach und verwaschen waren, springen jetzt deutlich ins Auge, als feine aber sehr deutlich wahrnehmbare schwarze Striche, dem Gegensatze von dunkel und hell entsprechend. Der andere Umstand ist insofern wich- tig, als er vielleicht geeignet ist, die obige Aussage etwas zu modifieiren, es finde sich bei der Streifen-Ebene des Kalkspaths gar keine Spur von ep- optischen Figuren. Betrachtet man nämlich eine monochromische Flamme, mittelst der, eine Schichtenebene des Kalkspaths schräg durchwandern- den Strahlen, so entstehen die drei Bilder des Gegenstandes nebeneinan- der, aber ohne allen Gegensatz der Farben, jedoch bei einer gewissen ganz bestimmten Neigung des Krystalls entstehen doch farbige Streifungen, gleichsam als Elemente einer epoptischen Figur; und höchst merkwürdig ist, dafs diese Streifungen bei gehöriger Wendung des Krystalls nur auf den zwei lateralen Bildern sich zeigen, auf dem mittleren geradeausgesehenen sah ich nie eine Spur derselben. Diefs sind Analogien mit dem Arragonit, die wohl eine gründliche Untersuchung verdienen.

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pin [SS]

Ernman über epopüische Figuren des Arragonits

Eine nicht geringe Paradoxie dieser Erscheinungen verdient Erwäh- nung, weil sie die Schwierigkeit dieser Bestimmung bedeutend steigert, ja, weil sie wie man finden kann, der Erklärungs-Hypothese durch Strah- len, die aus der Gegend der zweiten Axe kämen, ziemlich ungünstig sich stellt. Wenn das nahe gehaltene Auge die Figur durch die schräge Streifen - Ebene erblickt, so kann man nun das Auge in unverrückter Richtung vom Krystall allmählich entfernen, immerfort sieht man in unveränderter Gröfse und Deutlichkeit die Figur auf der Streifen-Ebene selbst gezeichnet. Nun sind doch die angulären Relationen dieser Ebene zu irgend einem Punkt im Innern des Krystalls sehr bedeutend verschieden, wenn man sie aus der gröfst- g von ein bis

8 zwei Fufs ab vom Krystall betrachtet, und nichts desto weniger bleibt die

möglichsten Annäherung des Auges, oder aus einer Entfernun

Figur unverrückt und unverändert. Dieser Umstand war es hauptsächlich, der mich verleitete von der Erklärungs-Hypothese durch die zwei Pole des Arragonits abzugehen, und mein Heil bei den Frauenhoferschen Diffra- ctions-Gittern durch Refraction und Reflexion zu versuchen. Folgende Be- obachtungsmethode mag mir zur Entschuldigung dienen; auf jeden Fall ist eine Facticität mehr gewonnen, aber wahrscheinlich auch ein Beleg mehr zur Verfänglichkeit der Fallacia non causae ut causae.

Vor dem Gestelle welches den nach den gehörigen Richtungen beweg- lichen Arragonit-Krystall mit zwei parallelen Streifen - Schichten trägt, stelle man eine Lampe, und gebe dem Krystall eine solche Stellung, dafs man im finsteren Zimmer durch die Eine schräge Streifen-Schicht hindurch die oben erwähnten drei Bilder sicht, ein mittleres und zwei laterale Spektra, welche ihre Farben-Säume so haben werden, dafs für beide die blaue Franze nach aufsen zu, die rothe nach Innen. Giebt man nun dem Krystall eine kleine Azimutal-Wendung nach der Richtung hin wo die zweite Streifen-Schicht liegt, so sieht man allmählich drei neue Bilder entstehen. Während näm- lich durch die Drehung das äufserste rechte Bild ‘der drei erst gesehenen schwächer und schwächer wird und endlich verschwindet, so kommt von der Linken zur Rechten das durch die zweite Streifen-Schicht bedingte Bild zum Vorschein, und zwar mit dem sehr merkwürdigen Umstand, dafs die Farben-Säume entgegengesetzt stehen, so dafs das Blaue des verschwinden wollenden anliegt an das Roth des durch die Drehung entstehenden. Auf

ohne vorläufige Polarisation. 13

diese Weise entstehen bei zunehmender Annäherung der zwei Systeme von Bildern, Reihen von farbigen Streifen: und da die Bilder der Flamme nach oben und nach unten sich gegeneinander neigen (wie bei Prisma und Regen- bogen), so könnte man füglich diese. Farben-Streifen als Elemente von Ringen betrachten, zu welchen sie wirklich werden durch Senkung und He- bung des Krystalls. Hat man den Krystall fest gestellt in der Stellung wo eben das rechts stehende Bild des einen Systems, und das linke Bild des an- dern im Maximum der Annäherung stehen, und der Gegensatz ihrer Farben- Säume am deutlichsten erscheint, so bedecke man die Flamme der Lampe mit ihrem Schirme von Milchglas oder von dichter Gaze; nun sieht man die Bilder der Flamme nicht mehr, man hat vor sich ein gleichförmig helles Expansum, aber auf diesem Expansum steht die epoptische Figur ganz deut- lich und glänzend da, an derselben Stelle wo früher die beiden Bilder inter- ferirten. Bei einigen Exemplaren wird man vielleicht die epoptische Figur um ein geringes höher finden nach der Gegend hin wo die Bilder der Flamme die gröfste Neigung gegeneinander annehmen als Genesis der Ringe, aber immer im selben Azimuth. Diese und einige andere Erscheinungen des Ar- ragonits verführten mich zu dem Versuch sie nachzuconstruiren nach der oben schon erwähnten Analogie einer Diffraction durch Refraction und Re- flexion. Das Auge befinde sich zwischen zwei zu diesen Effekten geeigneten Gitter-Ebenen und sehe nach einer Kerze; durch die eine schräg gehaltene Gitter- Ebene erblickt man die Kerze geradeaus mit ihren Nebenbildern, die bei gehöriger Neigung zu zwei lateralen Spektra werden mit entgegengesetz- ten Farben -Säumen, die zweite parallele Gitter- Ebene zeigt dasselbe, aber durch Reflexion; von ihr spiegelt sich ab zum Auge ein directes Bild der Kerze, begleitet von zwei lateralen Spektren. Giebt man nun dem System der zwei parallelen Streifen-Ebenen eine azimutale Bewegung, so verschwin- den allmählich die durch Refraction gesehenen Bilder, die durch Reflexion schieben sich vor an ihrer Stelle, und gewinnen immer mehr an Intensität. Durch das Aneinanderrücken der Farben-Säume des verschwinden wollen- den refrangirten, und des entstehenden reflectirten Bildes entstehen Streifen als Elemente der Ringe, so dafs man in dieser Hypothese eine genügende Ge- nesis der epoptischen Figur und eine treffende Erklärung des eben erwähnten Umstandes, dafs die Figur da entsteht wo die zwei extremen lateralen Bilder

14 Erman über epoptische Figuren des Arragonits

der zwei Systeme interferiren, und wo Gelegenheit ist, das an sich geschmei- dige Postulat der Differenz einer halben Wellen-Länge einzuführen.

Übergehend manches Detail welches ich hierauf bezog, während ich mich in der sanguinischen Täuschung befand, die epoptische Figur des Arra- gonits gleichsam genetisch und mechanisch aus ihren Elementen zu construi- ren, halte ich es gerathener die enttäuschenden Gründe, welche diese An- sicht zu widerlegen scheinen, summarisch zur Sprache zu bringen.

1) Wäre die Reihe der drei durch Drehung des Krystalls zum Vor- schein kommenden Bilder wirklich durch Reflexion der zweiten Streifen - Schicht bedingt, so müfste das Auge sie so weit hinter dieser Ebene sehen wie die Kerze vor derselben steht, und folglich in einer viel gröfseren relati- ven Entfernung von den drei ersten Bildern, als es wirklich der Fall ist.

2) Wäre die erwähnte Ansicht die richtige, so könnte die epoptische Figur nie in den Krystallen entstehen, die nur eine Streifen -Schicht haben, nun besitze ich zwar leider keine von dieser Art, da aber die Figur auch an der äufseren Seite einer Schichten-Ebene gesehen wird, wo gegenüber keine zweite steht, so zweifele ich nicht, dafs sie auch da erscheinen werde, wo überhaupt nur eine existirt; dieses ist entscheidend, denn Schichten - Durch- gänge supponiren wo man sie nicht sieht, wäre nichtige Rechthaberei.

3) In den Kalkspath-Krystallen, die mehrere parallele Schichten - Ebenen haben, konnte ich jedoch nie eine wirkliche epoptische Figur wahr- nehmen, so mannigfach auch die Richtungen waren, die ich diesem Kry- stall gab. f

4) Und eben so wenig gelang es durch entsprechende Combination von künstlichen Gittern, die sich zur Diffraction eminent eigneten.

5) Die anomalen epoptischen Figuren des Arragonits haben endlich eine so entschiedene Ähnlichkeit mit den durch vorläufige Polarisation ent- standenen anderer Krystalle von doppelter Strahlenbrechung, dafs es un- logisch wäre, den ersten eine wesentlich verschiedene Entstehungsart zuzu- schreiben.

Es scheint mir dem zu Folge fast entschieden, dafs die anomale Figur des Arragonits ihre wesentliche Bedingung hat in der zweiten optischen Axe des Krystalls und in dessen Combination mit den Wirkungen der ersten in den hemitropirten Zwillingen; es fehlt aber unendlich viel daran, dafs wir

ohne vorläufige Polarisation. 15

im Stande wären, diese paradoxen Phänomene nachzuconstruiren in irgend einer durchgreifenden Theorie; denn die Zeit, die ich verwendet habe, um die Interferenz der zwei benachtbarten Bilder als das wahre prius des Phänomens aufzustellen, werden Viele für eine verlorene halten. Man ist allerdings bei vielen Erscheinungen nur zu oft in Gefahr einer zufälligen, anderweitig bedingten Formgebung den pseudomorphologischen Werth bei- zulegen einer wesentlichen ursprünglich unbedingten.

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Über Erzeugung von Electromagnetismus durch blolse Modification der Vertheilung der Polarität in einem unbewegten Magnet.

Von

BE .R.M; AN.

[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 25. October 1832.]

Den war, dafs eine zwischen zwei Magnet-Pole aufgestellte bewegliche Scheibe Axendrehung annimmt, sobald sie durch Zuleiter die positive und ne- gative Electrieität empfängt, die eine am Limbus die andere am Mittelpunkt; die Rotations-Richtung geht in das Entgegengesetzte über, je nachdem man die Stellung ändert der Magnet-Pole oder der positiven und negativen Rheo- phore. Wie viel war damals zu geben nicht etwa auf den Schlufs aber doch auf die Ahnung, dafs umgekehrt eine mechanische Axendrehung der Scheibe unter den Magnet-Polen hinweg, ihrer Seits die Electrieität erregen würde? Das Postulat dieser Reciprocität eines die Bewegung bedingenden und wie- derum durch die Bewegung bedingten, klang fast so, als hätte man gesagt, ein horizontaler Wurf giebt die Parabel wenn die Schwerthätigkeit hinzu- tritt, also mülste umgekehrt Schwerthätigkeit entstehen, wenn man einen nicht schweren Körper in der Parabel bewegte.

Und doch fand Herr Arago zuerst Thatsachen welche die Annahme einer solchen Reciproeität begünstigten; aber das unlogische der Umkehrung blieb lange abschreckend, die Physiker zogen es vor mancherlei Erklärungs- gründe zur Sprache zu bringen, die sich an die früher bekannten Analogien des Magnetismus anschliefsen sollten.

Hr. Faraday hat neuerdings durch bestimmte Thatsachen die Reci- procität vollkommen erwiesen, so dafs wenn einerseits die in Bewegung ver- setzte Electricität Magnetismus erregt, andererseits in Bewegung gesetzte magnetische Körper Electricität bedingen. Es wäre sehr überflüssig, die

Phys. Abhandl. 1832. C

18 Ermas

Wichtigkeit dieser Entdeckung hervorheben zu wollen; von ihren weitaus- reichendsten Folgerungen giebt Faraday ein Beispiel wenn er fragt, wie die Strömungen des Wassers im Gulfstream, über den magnetischpolarisirten Erdkörper sich hinziehend, das System der Allantischen Abweichungslinien modificiren mögen, wobei ein Meteorolog seiner Seits befugt ist zu fragen, ob ein gleiches dahin Ziehen der wässerigen Meteore der Passaten nicht für die elektrische Spannung der Atinosphäre von Belang sein könnte. Fast näher jedoch und vor der Hand dringender empfiehlt sich dem Physiker die grofse Entdeckung durch die Mittel die in ihr liegen dem Mechanismus der fixen und perennirenden Polarität des natürlichen und künstlichen Magnets etwas Klarheit abzugewinnen, durch Parallelisirung mit der gerade in diesem Zy- clus von Erscheinungen ihm so eng und unumwunden verwandt gewordenen hauchartigen momentan entstehenden und verschwindenden electromagneti- schen. Das Verhältnifs zweier Gegenstände, für welche so viele und so tref- fende Ähnlichkeiten und Differenzen jetzt zur Sprache kommen, dürfte wohl nicht mehr lange als unauflösbares Problem dastehen.

Folgendes war der Weg, den ich einschlug, um wo möglich von dem Standpunkte dieser neuen electromagnetischen Erscheinungen her einiges Licht auf den Mechanismus der perennirenden, fixen magnetischen Polarität zu reflectiren, und namentlich um mich umzusehen nach Thatsachen, die viel- leicht von Werth wären um annähernd den Vorzug zu sichern einer der beiden entgegengesetzten Theorien des fixirten Magnetismus, nämlich, der Karte- sisch-Ampereschen, nach welcher er auf wirklichen mechanisch locomo- tiven Bewegungen und Strömungen seines Agens beruht; und der Aepinus- Coulombschen, nach welcher er bedingt wird durch die vollendetste Unbe- weglichkeit des in und an jede isolirende Molekel unbeweglich festgebannten Agens. Wenn eine ohne jede mechanische Bewegung eingeleitete Modifica- tion des Gleichgewichts der magnetischen Kräfte im Innern eines Individuums, ähnliche electrische Erscheinungen bedingte wie die reelle Bewegung dieses Individuums im äufsern Raume, so schien mir ein nicht unwichtiger Anhalts- punkt gewonnen, um auf den Grund ähnlicher Ergebnisse, für beide Fälle auf Bewegung zu schliefsen, sowohl im Innern des Individuums als im äufsern Raume.

Uber das Gelingen dieser Bemühung habe ich Bericht abzustatten; es handelt sich von Erscheinungen wo ohne locomotive Bewegung,

über Erzeugung von E lectromagnelismus u, s.w. 19

die fixe Polarität eines Individuums eine transitorisch electri- sche erregt, durch blofse Störung des früheren Gleichgewichts seiner Kräfte.

Die Mittel der Untersuchung waren im allgemeinen, dafs ein ruhender Magnet unter einen geeigneten Leiter gebracht wurde, um zu beobachten, ob und welche Abweichungen des Multiplicators erfolgen würden, wenn durch Anlegung von weichem Eisen oder von freundschaftlichen oder feind- schaftlichen Polen an seine Extremitäten, an seine Indifferenz-Mitte, oder an irgend einen andern Punkt sein magnetisch dynamischer Gleichgewichts- zustand modificirt wurde. Hiezu wendete ich drei nach Erfordernifs der Umstände verschiedene Methoden an.

Der Magnet-Stab wurde seiner ganzen Länge nach in eine Röhre gebracht, um welche der metallische Leiter seine Spiral-Windungen über den ganzen Magnet fortsetzte. Von einem etwanigen störenden Einflufs von Seiten der fixirten Polarität war nichts zu befürchten, denn die Länge der Zuleiter er- laubte den Apparat in 14 Fufs Entfernung aufzustellen vom Multiplicator, der durch ein kleines Fernrohr beobachtet wurde.

Aber die Ausdehnung der Spirale über die ganze Länge des Stabes war ein mifslicher Umstand für diese Klasse von Untersuchungen. Die Stö- rung des Gleichgewichts an einem Pol hätte sehr leicht am entgegengesetzten Ende eine entgegengesetzte Abweichung bedingen können, und, an der Spi- rale sich abgleichend, entweder einen illusorisch negativen, oder auf jeden Fall einen nicht ganz reinen Erfolg für jeden einzelnen Pol gegeben. Schon bei dem trivialen Versuch einen Magnet-Stab seiner Länge nach durch die Spirale durchzuziehen, hat man Gelegenheit zu bemerken wie viel entgegen- gesetzte Elemente zur totalen Wirkung der Endoscillation concurriren. Bei gegebener Richtung der Spiral-Windungen sowohl des Leiters als des Mul- tiplicators, habe man z.B. den Stab unter der Spirale vorwärts herausge- schoben bis zum Indifferenzpunkt in seiner Mitte, die Abweichung sei rechts; läfst man die Nadel zur Ruhe kommen und vollendet dann das Durchziehen des Stabes, so hat man die Abweichung links; ein möglichst instantanes Durchziehen der ganzen Länge nach müfste also durch wechselseitiges Auf- heben der Ungleichartigen Null Abweichung geben. So ist es aber durchaus nicht: für die erste Hälfte des Stabes die sich vorwärts bewegt vom Maxi- mum des Poles zum Nullpunkt der indifferenten Mitte bilden die Reactionen

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20 Ermıan

auf die Spirale eine abnehmende Progression der Intensitäten: für die nach- folgende zweite Hälfte des Stabes ist umgekehrt die Progression der Intensi- täten wachsend vom Nullpunkt des bewegten Stabes bis zum Maximum am Pol; diese letzte giebt daher den Ausschlag. Vielleicht liefse sich eine so grofse Geschwindigkeit denken, dafs beide Progressionen sich zu Null sum- mirten und der Stab die Spirale durchwanderte, wie die Kugel eine Wetter- fahne ohne sie zu bewegen: aber auch dieses langt nicht aus, weil während seiner fortschreitenden Bewegung der Stab allmälig eine Windung der Spirale nach der andern verläfst und unthätig macht. Es ist daher die Bestimmung der totalen Oscillation eines seiner ganzen Länge nach unter der Spirale des Leiters weggezogenen Stabes ein höchst complicirter Gegenstand, den die geschmeidigste Analyse Mühe haben wird zu erreichen.

Um den Täuschungen zu entgehen, welche möglicher Weise bei unsern Untersuchungen entstehen konnten und mufsten, wenn die an einem Pole angebrachte Modification des Gleichgewichts der Kräfte in einer rückwärts liegenden Zone eine entgegengesetzte bedingen würde ebenfalls die Spirale afficirend, wendete ich in der zweiten Methode Spiralen an, die nur die eine Hälfte oder auch einen noch geringeren Theil der Länge des Stabes be- deckten; aber auch dieses war mifslich, da man nie weifs, bis wohin die beigebrachte Modification der Polarität sich erstreckt und wo sie etwa in das Entgegengesetzte übergeht: den Umstand zu geschweigen, dafs selbst bei der halben Länge der Spirale viele Punkte des Magnets, und zwar die interes- santesten, bedeckt sind, und für den Contact des weichen Eisens und der Magnet-Pole unzugänglich sind.

Die dritte Methode ist bei weitem vorzuziehen, und ihre Anwendung kann in vielen Hinsichten den Physikern nicht genug empfohlen sein für die Fälle welche sie gestatten, denn alle lassen sie nicht zu. Herr Fechner, dem die Physik so viel verdankt, fand bei seinen Untersuchungen über Thermo-Electrieität, dafs man statt der wiederholten sich überdeckenden Windungen des bis dahin allein bekannten Spiral-Multiplicators, mit gleichem, wo nicht mit gröfserem Erfolge sich bedienen könne einer einzigen breiten und massiven Metallplatte, die, zweimal rechtwinklich gebogen, zwischen zwei ganz nahen parallelen sich überdeckenden Flächen die untere Nadel eines astatischen Nobilischen Paares einschliefst. Zwei gleich breite Streifen Zink und Kupfer, 3 Fufs lang, an ihrem äufsersten Ende in metallischer

über Erzeugung von Electromagnetismus u.s.w. 21

Continuität, gaben wahrnehmbare Electrieität durch blofse Anlegung der Hand, eine Weingeistlampe gab stehende Abweichung 59°, ein guter Spiral- Multiplicator nur 55°. Herr Mitscherlich hatte den glücklichen Gedan- ken, zu versuchen, ob der Fechnersche Multiplicator bei den Faraday- schen Versuchen mit gleichem Erfolg wirken würde wie für Thermo-Electri- eität, und fand es vollkommen bestätigt; diese gefällige Mittheilung gab meinen Untersuchungen über electrische Erregungen durch blofse Gleichge- wichtsstörungen einen genügenderen Grad von Bestimmtheit und leichtere Ausführbarkeit des Details. Das Paradoxe dieses Instruments liegt im All- gemeinen darin, dafs eine einzige continuirliche leitende Fläche die Strö- mungsrichtungen mit derselben Präcision und fast mit mehr Intensität giebt, als die durch sorgfältige Isolation vor jeder Lateral- Ausweichung und Ver- streuung geschützte Spirale; denn so ist es in der That, gerade 90° senk- recht auf die longitudinale Richtung der Metallplatten in der Verlängerung der Leiter ist das Maximum der Elongationen, und eine vorläufig unter die- sem Winkel abgelenkte Nadel giebt nicht die mindeste Spur von Sollicitation. Ich gestehe anfänglich die Vermuthung gehegt zu haben die Ursache dieser auffallenden Präcision in der longitudinalen Strömungsrichtung, trotz der dargebotenen Gelegenheit seitwärts in der leitenden Fläche des Metalls aus- zuweichen, sei in einem hinzukommenden aufserwesentlichen Umstande zu suchen. Um die untere Nobilische Nadel zwischen die beiden Platten des Multiplicators einführen zu können, giebt man der oberen einen langen Einschnitt, und dieser Schlitz liegt in der Richtung des Stroms. Nun ist aus allen Analogien bekannt, welchen entscheidenden Einflufs jede Continuitäts- Unterbrechung bei den magnetischen Wirkungen äufsert: am auffallendsten nahm ich ihn vor vielen Jahren wahr, als eine in ihrem Mittelpunkt durch- bohrte Stahlscheibe auf einen leitenden Draht geschoben ward, durch wel- chen electrische Entladungen der galvanischen oder der Reibungs-Electricität geleitet wurden. Getrennt vom Leiter gaben diese Scheiben durch die aller- feinsten Prüfungsmittel keine Spur magnetischer Polarität. Sobald man ihnen aber, sei es auch viele Wochen nachher, einen Einschnitt gab von der Peri- pherie bis zum Mittelpunkt, zeigten sie sich vollkommen regelmäfsig polari- sirt, als Hufeisen die einiges Eisen zu tragen vermochten. Um zu prüfen, inwiefern diese Analogie auf den Schlitz der Fechnerschen Multiplicator- Platte anwendbar sei, liefs ich ein solches Instrument construiren ohne alle

22 ErmaAan

Unterbrechung der Continuität, aufser ein kleines Loch in der Mitte, um dem Träger der Nadeln Spielraum zu gewähren: die Nadeln nahmen zwar demohngeachtet die Strömungsrichtung an, sowohl in Faradayschen als in thermoelectrischen Prüfungen, aber ihre Empfindlichkeit war kaum die Hälfte derjenigen welche sie zeigten als nachher die Platte ihren Einschnitt bekommen hatte. Man kann daher vermuthen, dafs, um die Empfindlichkeit des Fechnerschen Multiplicators zu steigern, man auch der unteren Platte eine entsprechende Continuitäts- Unterbrechung, oder vielleicht sogar jeder der beiden Flächen mehrere parallele Schlitze zu geben hätte, wodurch man sich zum Theil den Analogien des Spiral-Multiplicators wieder nähern würde.

Die Anwendung des Fechnerschen Multiplicators zur Beobachtung der electromagnetiscchen Wirkungen die ohne mechanische Bewegung be- dingt werden durch blofse Störung des Gleichgewichts der Polaritäten eines magnetischen Individuums, ist so einfach wie günstig. Die breiten Rheophore bilden eine Zange, deren Krümmungspunkt zur Bequemlichkeit der Manipu- lationen eine elliptische Erweiterung bekommt; die Länge dieses Leiters giebt für die gewöhnlichen Fälle 21, Fufs Entfernung des Magnets vom Multiplica- tor; mufs man aber sehr kräftige Stäbe anwenden, die in dieser Entfernung die Nadeln affıciren möchten, so fügt man Verlängerungen an die Leiter mittelst Schrauben und Amalgamation bis auf 6 und 7 Fufs Länge. Unter dem äus- sersten Krümmungsbogen der Zange liegt der beliebige eben zu prüfende Punkt des stationären Stabes, es sei Polar- Punkt, Indifferenz - Punkt oder welcher es wolle. Durch Anlegung von Magnet-Polen oder weichem Eisen an irgend einem andern Punkte des Stabes, den man ganz frei liegend und nicht wie bei den anderen Methoden, durch Schraubwindungen bedeckt vor sich hat, erhält man ohne Zweideutigkeit die Wirkung, welche das Anlegen und Abreifsen hat, für den unter dem Rheophor vorhandnen Punkt des Stabes. Neben bei hat man den Vortheil die Wirkung auf jede betreffende Zone des Stabes rein zu erhalten, ohne die eben erwähnten Störungen der fortlaufen- den Spiralgewinde.

Durch Anwendung dieser drei Methoden, je nachdem sie jedesmal durch die Umstände indicirt waren, erhielt ich folgende Resultate:

1. Ein beliebiger Magnet-Pol liege unter dem Leiter, so giebt der Kon-

tact desselben mit weichem Eisen eine Abweichung, gerade als hätte man den Magnet-Pol mechanisch bewegt im äufseren Raume.

über Erzeugung von E lectromagnelismus u.s.w. 23

2. Das Abreifsen giebt eine positive Abweichung nach entgegengesetzter Richtung.

3. DerSinn, nach welchem die Abweichung des Anlegens die Nadel treibt, ist immer der, wohin sie gehen würde wenn man den Stab vorwärts unterm Leiter bewegte, das Abreifsen giebt das Äquivalent eines Zurückziehens des Stabes.

4. Diese Wirkungen sind um so intensiver je gröfser die Masse des an- gelegten und abgerissenen weichen Eisens ist; auch scheint eine langgestreckte Form der eisernen Mafse von günstigem Einfluß.

5. Diese electromagnetische Reactionen sind von gleicher Art und Rich- tung, aber sehr bedeutend intensiver, wenn man zum Anlegen und Abreifsen statt des indifferenten weichen Eisens den freundschaftlichen Pol eines anderen Magneten anwendet.

6. Anlegen und Abreifsen eines feindschaftlichen Pols giebt immer sehr viel schwächere Wirkungen als der freundschaftliche Pol; sie können sogar so schwach werden, dafs sie sich der Empfindlichkeit des Instruments scheinbar entziehen; trifft man aber die rechte Wahl für die relative Stärke der beiden Magnete, so bleibt kein Zweifel, dafs die Anlegung des feindlichen Pols das Äquivalent giebt eines Zurückziehens des stationären Stabes, also das Entgegengesetzte der Anlegung eines freundschaftlichen.

7. Auflegen oder trennen eines freundschaftlichen oder feindschaftlichen Pols auf den Indifferenz-Punkt des Stabes, gab keine wahrnehmbare Wir- kung für den unter der Zange liegenden Pol des stationären Stabes: wahr- scheinlich würde man jedoch solche erhalten bei einer besseren Wahl der Dimensionen, und der relativen Stärke und durch eine gröfsere Empfindlich- keit des Multiplicators.

8. Geschieht aber die Auflegung des freundschaftliches Pols an einem Punkte des Stabes zwischen seinem Indifferenz-, und seinem Polar-Punkte, so erhält man electromagnetische Abweichungen der Nadeln, immer kräftiger je mehr der Punkt des Contacts sich dem unterm Leiter liegenden Polar- Punkte des Stabes nähert. Die Richtung dieser Abweichung ist entgegen- gesetzt der die man durch Application am Pole des Stabes erhält, das heifst der dynamische Effect des gestörten Gleichgewichts ist äquivalent einer rückwärts gehenden mechanischen Fortschreitung des Stabes unter dem Leiter.

24 Ermıan

9. Fixirt man den Indifferenz-Punkt eines Stabes unter der Zange und legt an seinen Extremitäten weiches Eisen oder Magnet-Pole an, so erhält man keine wahrnehmbare electromagnetische Reactionen, zum Theil mit aus demselben Grunde wie für No.7., hauptsächlich aber weil zu Folge der Vertheilungsgesetze, die Polaritäts-Kräfte vom Maximum -Punkt an den Polen gegen den Null-Punkt in der Mitte zu so schnell abnehmen dafs zu beiden Seiten des absoluten Null-Punkts gleichsam eine Indifferenz- Zone existirt, wo die Thätigkeit überhaupt so schwach ist, dafs eine kleine dyna- mische Verrückung des Null-Punkts zur Rechten oder zur Linken innerhalb dieser Zone sich durch keine wahrnehmbare electrische Reaction ausspricht: es ist wohl interressant, dafs ebenfalls mechanische Bewegungen zur Rechten oder Linken für diese Region eben so ohne wahrnehmbaren Erfolg sind unter einem einfachen Leiter.

10. Bringt man aber unter den Leiter den Scheitelpunkt der Krümmung eines Hufeisens, dessen polare Schenkel auswärts und abwärts vom Leiter gerichtet sind, so erhält man sehr entschiedene Erfolge von der, durch den Contact an die Pole veränderten Lage des Indifferenz - Punktes.

41. Weiches Eisen und mehr noch ein freundschaftlicher Magnet-Pol an irgend einen der Pole des Hufeisens angebracht, geben dieselbe Abweichung als wenn der berührte Pol vorwärts bewegt würde unterm Leiter oder in einer Spirale. Da das Abreifsen stets das Entgegengesetzte des Anlegens be- dingt und da das an einem Ende mit dem einen Pol in Berührung bleibende Eisen, immer am entgegengesetzten Ende der freundschaftliche des andern Pols wird, so kann man durch eine rhythmisch abwechselnde Folge von Öffnen und Schliefsen, bald an einem, bald am andern Pol, während das entgegengesetzte Ende des Eisens in Berührung bleibt, sehr grofse Oscilla- tionen der Nadel erhalten.

12. Ein Hufeisen, welches von Pol zu Pol durch weiches Eisen geschlos- sen ist, giebt fast gar keine electromagnetische Wirkungen wenn man es unter dem Leiter wendend bewegt; je inniger der Schliefsungs-Contact ist durch Glätte und Masse, je mehr verschwinden die Wirkungen; ein so ab- solut geschlossener, wie die eben erwähnten Stahlscheiben, würde gar keine Reaction am Multiplicator geben.

Die Umkehrung obiger Versuche, woraus ergeht, dafs weiches Eisen durch Anlegung von Magnet-Polen Electromagnetismus in den Leitern erregt,

über Erzeugung von Electromagretismus u.s.w. 25

sind zwar im Allgemeinen durch Faraday bekannt geworden, sie gestatten jedoch noch mannichfache Variationen: vor der Hand wünschte ich nur ihre Wirkungsart mit der des dynamisch und ohne mechanische Bewegung wirkenden Magnets zu parallelisiren.

13. Das Ende eines Stabes weichen Eisens (z.B. lang 2 Fufs, dick Zoll) liege unterm Leiter, dem einfachen oder dem spiralgewundenen, er giebt ö pıralg 5 durch Anlegung eines Magnet-Pols von gehöriger Kraft eine Abweichung des Multiplicators, welche entgegengesetzt ist der, welche das Instru-

pP Le) O o b) ment gab, als der Magnetstab unterm Leiter lag und Eisen angelegt wurde: für diesen letzten Fall war die Wirkung äquivalent einem Vorschieben des betreffenden Magnet-Pols, das Eisen unterm Leiter hingegen giebt das 8 gegen &

Aquivalent einer retrograden Bewegung.

14. Sehr deutliche Spuren derselben Erfolge erhält man durch blofses Annähern des Magnets, ohne unmittelbare Berührung.

15. Ein Messingstab, in der Spirale liegend, giebt electromagnetische

d F 5 » 8 5 Abweichungen durch Anlegen eines Magnet-Pols an seine Extremität; die Öscillation ist schwach, aber in demselben Sinne wie für weiches Eisen, r) und ebenso specifisch verschieden, nach Verschiedenheit der Pole. Wem massive Stangen verschiedener Metalle zu Gebot stehen, sollte hierüber Ver- gleichung anstellen. Auch über die electromagnetischen Wirkungen einer durch partielle Erwärmung modifieirten Vertheilung der Magnet -Kräfte eines Individuums sind auf diesem Wege Aufschlüsse zu gewinnen. 5 5 Wenn es angenehm ist, in den Störungen des Gleichgewichts der 5 D 5 5

inneren perennirenden Polaritäts-Kräfte eines magnetischen Individuums eine Quelle electromagnetisch-transitorischer Wirkungen zu finden, unab- hängig von mechanischen wirklichen Bewegungen im äufseren Raume, so

815 sung > war die Tendenz dieser Untersuchungen, durch Parallelisirung beider Arten

o u o von Erfolge vielleicht einige factische Approximationen zur Sprache zu brin- gen in Bezug auf das Wesen der perennirenden Polarität: soll sie gedacht werden als bedingt durch reelle Strömungen im Innern des Individuums, oder als bedingt durch absolute Unbeweglichkeit des durch Cohibitiv - Vermögen an jedes Element gebannten Agens. Unsere Versuche scheinen auf den ersten Blick der Theorie reeller

Strömungsbewegungen im Magnet günstig zu sein, indem ihre electromagne-

Phys. dbhandl. 1832. D

26 Erman

tischen Erfolge sich durchaus anschliefsen an die Erfolge der reellen Bewe- gungen im äufsern Raume.

Wenn in No.1. bis 4. der Magnet seinen Einflufs auf weiches Eisen und in No.5. auf einen freundschaftlichen Pol nach aufsen fortpflanzt, so ist der electromagnetische Erfolg übereinstimmend mit dem einer Strömung, die, vom betreffenden Pol ausstrahlend, identisch wäre mit einem Vorrücken dieses Poles unter dem Leiter. Wenn (No.6.) der Contact eines feindschaft- lichen Pols übereinstimmend ist mit der Wirkung eines unterm Leiter zurück- Sr bewegung. Liegt der Magnet-Pol unterm Leiter, so wirkt er auf angelegtes Eisen wie vorwärts schreitend: liegt hingegen die berührte Extremität des

gezogenen Poles, so pafst darauf das Bild einer zurückgedrängten Strömun

Eisens unterm Leiter, so ist die Wirkung des angelegten Magnets entspre- chend dem Bilde einer Strömung von dieser Extremität nach den hinterwärts liegenden Punkten, gleich einer rückwärts gerichteten Bewegung. Die An- legung eines freundschaftlichen Pols zwischen Extremität und Indifferenz- punkt eines Stabes (No.S.) ist entsprechend einem Zurückziehen des Poles unterm Leiter, wobei man denken kann an ein durch polarische Affinität bedingtes Zurückfliefsen dss Agens vom Maximum-Punkt der Extremität gegen den Indifferenz-Punkt der Mitte; die Anlegung eines feindschaftlichen bedingt das Entgegengesetzte in dem Versuch, wie es in der hypothetischen Nachconstruction eines fliefsenden Agens sein müfste. In No.10. und 11. sieht man die Schwankungen des von einem Pol zum andern hin und her schwebenden Indifferenz- Punktes genau entsprechen den locomotiven Be- wegungen der betreffenden Zweige des Hufeisens unterm Leiter. Selbst die Wirkungen in die Ferne scheinen sich der bildlichen Nachconstruction durch bewegte Emanationen ungezwungen anzuschliefsen.

So plausibel jedoch scheinen mag diese Ätiologie der perennirenden fixen Polarität des Magnets durch früher vorhandene reelle innere Bewegun- gen als bedingend die später entstandenen electromagnetischen, so fehlt doch viel daran, dafs die erwähnten Thatsachen einen vollwichtigen Beweis für diese Ansicht abgäben.

Wir wollen zwar kein Gewicht legen auf die Bemerkung, dafs die zur Sprache gebrachten Thätigkeiten des Magnets eine entschiedene Ähn- lichkeit haben mit denen der Säule, und dafs für diese, neben der Hypothese

über Erzeugung von Electromagnetismus u.s.w. 27

von reellen Strömungen, eine andere ins Detail sehr ausgeführte existirt, welche ausgeht von einer in den Elementen dynamisch fixirten Polarität, welche nur zuläfst die Wechsel eines gebundenen oder in Freiheit gesetzten Agens. Dieses ist jedoch eben die «rogia, von welcher wir uns durch Facti- eitäten zu befreien suchen. Nun aber giebt es im Zyclus der von uns beob- achteten electromagnetischen Thatsachen etwelche, die nicht günstig sind der Ansicht von strömenden Bewegungen des Magnets in Causal- Verbindung mit den erzeugten electromagnetischen bei mangelnder mechanischer Be- wegung.

1. Wenn solche Strömungen im Magnet existirten, wirksam zur Erzeugung der electromagnetischen, so wäre kaum möglich zu begreifen, wie ihre Rich- tungen und Beschleunigungs-Intensitäten nicht sollten bedeutend modificirt werden, wenn man sie collidiren läfst mit Strömungsbewegungen in einem andern Magnet: und doch sah ich keine Spur davon als ein äufserst kräftiger Magnet aufgenommen wurde als Glied in der Continuität der Leitung zum Multiplicator; ein sehr schwacher Stab unter der Spirale übertrug dem In- strumente ohne jeden Abzug die Wirkungen des Bewegens oder des Contacts mit weichem Eisen, gleich viel, ob man den kräftigen Polen die durchströmt werden mufsten, die günstigste oder die widerwärtigste relative Stellung gab.

2. Wenn derlei Strömungen das Wesen der Magnet -Polarisation beding- ten, und durch den Act ihrer Bewegung die electromagnetischen Wirkungen bestimmten, so müfsten sich diese durch den natürlichen so gut wie durch den künstlichen Magnet erregen und fortpflanzen lassen. Dies ist aber nicht der Fall. Ein Magnetstein, an die 60 Pfund tragend, und also von sehr energischer Strömung in der Hypothese, gab keine Spur von Fortpflanzung

) electromagnetischer Strömung, als man ihn mittelst der Füfse seines eisernen Panzers in den Leitungskreis aufnahm.

3. Die Bewegung einer Spirale längs eines Magnetstabes müfste in dem- selben irgend einen Grad Electromagnetismus erregen, entsprechend dem, den der Magnet erregt, wenn er es ist, der sich in der Spirale bewegt. Ich gestehe diesen Erfolg mit Sicherheit erwartet zu haben, fand aber keine Spur davon trotz der Kraft des 24; Fufs langen Stabes, dessen Pole in vollkom- mener Zuleitung mit dem Multiplicator waren, und ohngeachtet ich die raschen Bewegungen der Spirale bald über die Hälfte bald über den ganzen

D2

28 Ermıan

Magnet-Stab ausführte. Hier scheint uns die Reciproeität der Modificationen der perennirenden und der transitorischen Polarität ganz zu verlassen.

4. Ein Stab weichen Eisens bekommt durch Anlegung eines Magnet-Pols, an seinen Enden wenigstens zwei, und unter gegebenen Umständen mehrere abwechselnde Polaritäts-Zonen: hievon konnte ich keine Spur auffinden durch etwanige entsprechende Modificationen der durch verschiedene Punkte des Stabes bedingten electromagnetischen Reactionen.

5. Ein sehr wichtiges Moment bei dieser Parallelisirung der perenniren- den und transitorischen Polarisation soll späterhin erwähnt werden, dafs nämlich eine zwischen Magnet-Polen rotirende Scheibe von weichem Eisen keinen Electromagnetismus erregt, während Scheiben von andern Metallen so kräftig wirken.

Es ist zu hoffen dafs fortgesetzte und vervielfältigte Anwendungen des zur Sprache gebrachten Prüfungsmittels, für die Parallelisirung der peren- nirenden und transitorischen Polarisation immer nähere Approximationen darbieten werden.

Bezüglich auf die rotatorische Erregung des Electromagnetismus blei- ben, sogar nach Faradays Mittheilungen, viele Combinationen deren empi- rische Ausführung nicht unwichtige Resultate verspricht, selbst für den Stand- punkt der obigen Untersuchungen. Von dem in diesem Sinne Begonnenen, erlaube ich mir für jetzt nur einen Umstand zu erwähnen, in sofern er ge- eignet ist die Experimentatoren vor Irrthümern zu bewahren, und zugleich die Fälle für welche der Fechnersche Multiplicator anwendbar ist, von denen zu unterscheiden wo sein Gebrauch nicht indicirt ist.

Ragte der Nordpol eines starken Magnets über den oberen Limbus einer messingenen Scheibe, der Südpol über den unteren, so gab eine rasche Rotation von der Rechten zur Linken beiläufig 50° Ausschlag links am Spi- ral-Multiplikator; geschah die Rotation von der Linken zur Rechten so war der Ausschlag rechts, aber nur von beiläufig 20°. Man konnte den Grund dieser Anomalie darin suchen, dafs zufolge der gegebenen Combinationen, bei der von der Rechten zur Linken umlaufenden Scheibe, die Punkte der Peripherie die Wirkung der Magnet-Pole empfunden hatten, ehe sie an das Empfangsstück des Leiters kamen, während sie bei der entgegengesetzten Umdrehungsbewegung zuvörderst an den Leiter und erst nachher an die

über Erzeugung von Electromagnetismus u.s. w. 29

modificirenden Magnet-Pole gelangten. Den Beweis dafs diese Erklärung ungegründet ist, erhält man leicht wenn man die Stellung der Magnet-Pole umkehrt: die Nadel hat nun entgegengesetzte Abweichungen, aber die Rela- tion des relativ früheren oder späteren Durchgehens unter Magnet-Pol und Leiter ist dieselbe geblieben, und nichts destoweniger ist die jetzt stattfin- dende Abweichung zur Rechten eben so überwiegend an Intensität, als in der vorigen Combination. Offenbar war also hier ein constanter Fehler des Instruments; er sprang in die Augen als ich die Magnet-Pole ganz entfernte und mit Erstaunen sah, dafs die blofse Reibung des an die Peripherie ange- drückten Leiters, der Nadel des Spiral-Multiplicators eine Abweichung zur Rechten gab von 60°, welche sich gleich blieb an Richtung und Intensität welche auch die Rotations-Richtung war, und folglich sich östlichen Abwei- chungen addirte, und von den westlichen subtrahirte. Nun erst erinnerte ich mich einer Stelle in Faradays Abhandlung, wo er gleichsam im Vorbei- gehen sagt: man habe sich bei diesen electromagnetischen Untersuchungen vor thermoelectrischen Wirkungen in Acht zu nehmen, und nun erst begriff ich warum er zum Empfangstück seiner Leiter, nur weiche und amalgamirte Metallflächen anwendet. Die im eben erwähnten Versuche erhaltenen aus- nehmend starken Wirkungen einer Thermoelectrieität erregenden Reibung sind um so auffallender 1) weil die zwei sich reibenden Metalle Kupfer und Mes- sing waren, also sehr naheliegende und folglich sehr unwirksame Glieder in der Reihe der thermoelectrischen Erreger; 2) weil diese Wirkung der Reibung sich instantan fortpflanzte durch die zehn Fufs langen Zuleiter des Apparats, und vorzüglich weil ich 3) keine Spur von Reaction wahrnahm, weder bei Ruhe noch bei Rotation, als ich zum Vergleich den Limbus der Scheibe, mittelst einer Weingeistlampe stark erwärmte. Die Temperatur- Unterschiede zwischen Peripherie und Centrum der Seheibe, waren doch hier unendlich gröfser als bei der Reibung, wo doch die starke thermoeleetromagnetische Wirkung sich augenblicklich

vorzüglich bei ihrem ersten Beginnen,

mit ihrer ganzen Intensität einstellte. Sehr möglich ist, dafs bei näherer Erwägung, dieser Gegenstand in die Analogien einspiele welche Rumford bewogen anzunehmen, jede Fortpflanzung der Wärme - Thätigkeit sei bedingt durch moleculäre Erzitterungen und Schwingungen. Solche mulsten aller- dings obwalten bei der Zusammenstellung die ich gewählt hatte. Eine wie der Hahn einer Flinte gebogene Stahlfeder, drückte die Schneide des leiten-

30 Ermıxr

den kupfernen Bandes gegen den Rand der umlaufenden Messingscheibe: ein gellendes Erklingen gab den acustischen Beweis innerer Erzitterungen des Metalles; abgerifsener Feilich und tiefe Einschnitte in das Kupfer bestätig- ten ihn.

Wie sehr die electromagnetischen Rotations-Versuche complicirt und zweideutig werden durch dieses aufserwesentliche Element von Thermoelec- trieität, erhellt daraus, dafs es so schwer hält über einen Punkt der für die Paralellisirung der perennirenden und transitorischen Polarität von ganz ent- schiedener Wichtigkeit wäre, vollkommene Sicherheit zu erhalten. Die Frage ist: in welchem Verhältnifs steht das Vermögen transitorischen Magnetismus zu erregen, mit dem Vermögen den perennirenden anzunehmen. Unter denselben Umständen würden eine Scheibe von Messing und eine vollkom- men gleiche von weichem Eisen, zwischen denselben Magnet -Polen in Rota- tion versetzt. Messing gab den eben erwähnten entschiedensten Gegensatz beim alternirenden rechts und links Drehen, aber beim Eisen konnte ich gar keine directe Anzeige davon wahrnehmen, woraus bereits so viel constirt, dafs hier Annehmen von perennirender Polarität und Erzeugen von transito- rischer im umgekehrten Verhältnifs stehen. Aber die thermoelectrischen Wirkungen waren beim Eisen so stark, dafs ich es kaum wage zu entscheiden ob in ihnen nicht vielleicht doch eine geringe Spur von erregten Electro- magnetismus versteckt obwalte, wenn gleich oft wiederholte nicht ungenaue Prüfungen mit Berücksichtigung dieser zu eliminirenden Thermoelectricität immer das Resultat zu geben schienen, dafs weiches Eisen zwischen Magnet- Polen rotirend absolut keinen Electromagnetismus erregt.

Ich werde versuchen, diesen sehr störenden Einflufs der Reibung ganz zu eliminiren, indem ich den Rand der nunmehr senkrecht gestellten Scheibe in Quecksilber umlaufen lasse, um eine sehr vollkommene Continuität der Leitung ohne alle Friction zu erhalten. Bestätigt es sich alsdann, dafs die eiserne Scheibe zwischen Magnet- Polen rotirend absolut gar keinen Electro- magnetismus erregt, so halte ich mich fast überzeugt, dafs sie den stärksten erregen wird, wenn man ihr einen radialen Einschnitt giebt (!).

(') Einige Physiker der neuesten Zeit neigen sich dahin, alle electromagnetische Erscheinun- gen auf Thermoelectrieität zurückzuführen: in dieser etwas einseitigen Ansicht wäre die hier wahrgenommene bedeutende thermoelectrische Erregung nicht so parasitisch und symptomatisch

über Erzeugung von E lectromagnelismus u.s.w. 31

Folgender paradox scheinender Umstand beruht auf der Eigenthüm- lichkeit des Fechnerschen Multiplicators nnd giebt die Abgrenzung der Fälle, wo er mit Nutzen anzuwenden ist. Die eben erwähnte thermoelec- trische Abweichung von beiläufig 60° hatte ich mittelst des Spiral-Multipli- cators erhalten; ich wendete den Fechnerschen an, und erhielt Nichts, oder höchstens zweideutige Spuren von 2°-3°. Dies kann um so mehr auffallen, da für ganz gleiche Grade der Erwärmung von Zink und Kupfer Derselbe die Empfindlichkeit des Spiral-Multiplicators für Thermoelectricität sogar übertraf; er gab 59°, der andere nur 56°. Doch ist leicht auf den Grund dieser Paradoxie zu kommen. Der einfache, aus einer einzigen breiten und massiven, über sich selbst zweimal rechtwinklich gebogenen Platte beste- hende Fechnersche Multiplicator hat zur Bedingung, dafs die Zuleiter die- selbe Breite haben als die Fläche des Multiplicators; je geringer das Ver- hältnifs der Zuleitungs-Fläche zur Multiplicator-Fläche, je mehr nimmt die Wirkung ab, und zwar in schneller Progression. Höchst merkwürdig in der That, als wenn ein Strom von geringem Durchmesser sich ergiefsend in eine viel breitere Fläche, an Kraft und Richtung seines Zuges durch laterale Aus- weichungen verlöre. Die zusammenhaltenden isolirenden Kanäle der über- zogenen Spirale wirken dem entgegen, und für ein unsichtbares Agens gel- ten die Principien der Rectification der Stromschnellen eines Flusses, der einen See zu durchwandern hat.

wie wir es nehmen, sondern idiopatisch und ätiologisch. Es ist jedoch wohl viel zu früh abge- schlossene Theorien zu entwerfen über diese Klasse von Erscheinungen, wo alle vier sogenannte Imponderabilien wie in einem Brennpunkte innigst zusammentreffen; doch möchte man fast sagen Electricität am wenigsten anschaulich insofern sie eigenthümliche Anziehungen und Abstolsungen zum Kennzeichen hat. Die Zusammenstellung eines sehr kräftigen Magnets einer sehr wirksamen Spirale und eines sehr empfindlichen Multiplicators, wurde auf das vollkommenste isolirt in allen ihren ruhenden und beweglichen Theilen. Beim Durchzichen des isolirten Magnet - Stabes durch die isolirte Spirale, flog die Nadel des Multiplicators blitzschnell in anhaltend wiederholten ganzen Kreisen lange herum, aber ein auf den höchsten Punkt der Empfindlichkeit und der Isolation ge- stelltes Bohnenbergersches Electrometer, liels nicht die mindeste Spur von electrischer An- ziehung oder Abstolsung wahrnehmen. Die etwanigen Angaben die man vom Condensator er- halten kann sind etwas verdächtig, wegen der nicht zu vermeidenden Berührung heterogener Metalle. Eine unzweideutige Reaction durch electrische Anziehungen bei den bewegten Magnet- Körpern wäre um so erwünschter, als im Standpunkte der Thermoelectriker die Lichter-

scheinungen zu den Corollaren einer Steigerung der thermischen Verhältnisse gezogen wer- den könnten.

32 Erman über Erzeugung von Electromagneüsmus u.s.w.

Hierdurch wird die Enantiophanie der erwähnten Erfolge in Klarheit aufgelöst. Die Zange die wir zu unseren Versuchen über den perenniren- den Magnetismus anwendeten, hatte die erforderliche Breite: eben so die Streifen Kupfer und Zink in den comparativen thermoelectrischen Versuchen. Bei dem erwähnten Rotationsversuche hingegen hatte das kupferne Band des Zuleiters kaum die Hälfte der Oberfläche, die es hätte haben müssen, um es mit dem Spiral-Multiplicator aufnehmen zu können. Gerade so bringt eine Kette von zwei Stäbchen Zink Hydrochlor -Säure und Kupfer einen guten Nobilischen Spiral-Multiplicator nahe an 90° stehender Abweichung, ohne jede Spur am Fechnerschen; aber die Divergenzen werden gleich in beiden, sobald die gehörige Breite für die einfache Kette eingehalten wird. Jedoch finden auch hier, nicht leicht zu erklärende Paradoxien statt, nament- lich bei Anwendung von sogenannten thermoelectrischen Säulen aus mehre- ren Paaren zusammengelötheter heterogener Metalle, wo ich oft die stärk- sten Reactionen erhielt, trotz dem dafs die Zuleiter ganz dünne Metall- Fäden waren.

Sollte Jemand unsere Versuche, einer prüfenden Kritik und einer er- weiternden Cultur würdigen, so dient das summarisch gesagte, Mifsverstän- den zu entgegnen: woher hätten wir aber eine auf Zahlenwerthen beruhende Theorie des Fechnerschen Multiplicators eher zu erwarten, als von dem bewährten Talent und dem rastlosen Fleifs des Erfinders.

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Über die Bluthen- und Fruch tbildung der Cruciferen.

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[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 19. Juli 1832.]

Fl:. Decandolle ist meines Wissens der erste Botaniker, welcher auf die sonderbare Blüthen- und Fruchtbildung der Cruciferen aufmerksam machte, und zugleich versuchte, die darin vorkommenden Abweichungen mit den bekannten Gesetzen der Vegetation in Übereinstimmung zu bringen. Um ihm aber in seinen Ansichten folgen zu können, mufs ich vorher an den Bau dieser Gewächse im Allgemeinen erinnern, und werde mich hierzu einer der gemeinsten Gartenpflanzen, der Winterlevkoie (Cheiranthus incanus L. Mathiola incana Brown.) bedienen.

Die Blüthen dieser Pflanze haben doppelte, vierblättrige Hüllen, de- ren Blätter kreuzweise stehen, und mit einander abwechseln. Die der äufsern Hülle oder des Kelchs sind kleiner, grün gefärbt, und zeigen in ihrer Form und Befestigungsweise eine doppelte Verschiedenheit. Die beiden zur Seite stehenden (Sepales monostemones ou valvaires Dec.) sind breiter, rinnenför- mig ausgehöhlt, und an der Basis mit einem Höcker versehen, während die beiden andern, das vordere und hintere (Sepales distemones ou placentaires Dec.), etwas höher entspringen, schmäler erscheinen, flach ausgebreitet sind, und keine höckrige Hervorragung zeigen. Wir werden gleich sehen, dafs jene Höhlung der Seitenblätter durch die Gegenwart eines dahinter ste- henden Staubgefäfses, der Höcker aber durch eine Nektardrüse bedingt wer- den, von welchen beiden sich hinter den schmälern Kelchblättern keine Spur vorfindet. Ich mufs hierbei bemerken, dafs die angenommene Richtung der Theile nach vorn und nach hinten keinesweges blofs willkührlich ist, son- dern sich auf ihre natürliche Lage zur Axe bezieht. Die Blumenblätter, vier an der Zahl, im Grunde der Blüthe befestigt, und ganz frei, wechseln

Phys. 4bhandl. 1832. E

34 Kunrtu

mit den Kelchblättern ab, zeigen einen langen Nagel (Unguis) und eine grofse Platte (Zamina), welche so ausgebreitet liegt, dafs die vier Blumenblätter ein Kreuz bilden.

Bis bieher zeigt die Struktur dieser Pflanze im Wesentlichen nichts Ab- weichendes von dem gewöhnlichen, regelmäfsigen Baue dicotyledonischer Gewächse. Wollten wir hieraus, nach der Analogie, auf die Zahl der Staub- gefäfse schliefsen, so würden wir einen oder zwei Ringe derselben annehmen müssen, wovon jeder aus vieren bestände. Wir finden aber in allem deren nur- sechs.

Ehe ich auf eine Erklärung dieser Abweichung eingehen kann, ist es nöthig, die Lage der Staubgefäfse und ihr Verhältnifs zu einander genauer zu erforschen. In den neuesten botanischen Werken, welche von dieser Familie handeln, geschieht dies auf folgende Weise: Sechs hypogynische Staubgefäfse, wovon zwei kürzer sind, einzeln stehen, und den zur Seite liegenden Kelchblättern entsprechen, während vier längere paarweise dem vordern und hintern Kelchblatte gegenüberstehen. Bei einer so ungenügen- den Angabe würde es schwierig, wenn nicht unmöglich gewesen sein, zu einer richtigen Ansicht der Organisation dieser Gewächse zu gelangen, ohne hierbei von neuem die Natur zu Rathe zu ziehen. Bei einer etwas sorgfäl- tigen Untersuchung bemerkt man nämlich, dafs von den sechs vorhandenen Staubgefäfsen, die beiden, den Seitenkelchblättern entsprechenden gewöhn- lich etwas schwächer sind, und schon deshalb kürzer erscheinen als die andern, weil sie tiefer entspringen. Die vier längern dagegen stehen hö- her, sind unter sich völlig gleich, bilden um das Ovarium einen vollkomm- nen Kreis, und entsprechen offenbar den Blumenblättern, beobachten folg- lich mit den vier Kelchblättern, so wie mit den beiden kürzern Staubge- fälsen eine abwechselnde Stellung. Die beiden untern Staubgefäfse sind aufserdem an der Basis ihrer Filamente mit einer grünen, fleischigen Drüse umgeben, wovon sich an den obern keine Spur bemerken läfst.

Das Ovarıum nimmt auch hier, wie gewöhnlich, die Mitte der Blüthe ein, erscheint einfach, sitzend und mit einem Filz von sternförmigen Haaren überzogen, ist in der Richtung der schmälern Kelchblätter etwas zusammen- gedrückt, und trägt eine zweilappige, sitzende Narbe, deren Lappen den schmälern Kelchblättern entsprechen. Das weibliche Geschlechtsorgan zeigt also äufserlich nichts Abweichendes. Untersucht man aber seine innere

über die Blüthen- und Fruchtbidung der Cruciferen. 35

Beschaffenheit, so stöfst man auf eine doppelte Unregelmäfsigkeit. Die erste zeigt sich in der Lage der vorhandenen (Juerscheidewand, welche den Lap- pen der Narbe entspricht, während sie nach der Vorstellung, welche man sich von der Bildung dieses Organs machen mufs, mit ihnen abwechseln sollte. Herr Lindley hat diesen wichtigen Umstand bei Untersuchung der Schotenfrucht der Cruciferen sehr scharfsinnig berücksichtigt. Herr De- candolle scheint ihn dagegen gänzlich übersehen zu haben; die Ansicht, welche er über die Entstehungsweise des Dissepimentum’s aufstellte, mufste daher sehr unbefriedigend ausfallen. Ich mufs noch bemerken, dafs die Scheidewand in der Mitte etwas verengt erscheint, ein Umstand, dessen Grund man in der Folge einsehen wird.

Die zweite Unregelmäfsigkeit ist in der Befestigungsweise der Eichen zu suchen. In jedem, wie anscheinend auch hier, aus zwei Karpellblättern gebildeten Fruchtknoten müssen die Eichen nothwendig an den Rändern dieser Blätter, und wenn diese sich vereinigen, in der Mitte der auf diese Weise entstandenen Scheidewand erscheinen. In den Cruciferen und na- mentlich in Cheiranthus incanus aber entspringen sie abwechselnd, an beiden Rändern der Scheidewand.

Das zur Reife gelangte Ovarium oder die Frucht zeigt in Rücksicht auf die Zahl der Fächer, die Lage der Scheidewand und die Befestigungs- weise der Samen dasselbe Verhalten, was wir so eben in seinem jJüngern Zustande beobachtet haben. Wir fügen blofs noch hinzu, dafs späterhin die dünne und häutige Scheidewand, indem sich zu beiden Seiten die Klappen lösen, frei wird, und an ihren verdickten Rändern (Sporophora intervalvula- ria Link.) zu beiden Seiten die Samen trägt.

Die Struktur der Samen ist durch die verdienstvollen Arbeiten von Gärtner, welche die Herren Brown und Decandolle so geistreich auf die Eintheilung dieser Gewächse angewendet haben, jetzt hinlänglich ge- kannt, und ihre Betrachtung liegt überdies aufser dem Kreise der hier anzu- stellenden Untersuchungen.

Nach den gemachten Bemerkungen würden also drei Schwierigkeiten in den Cruciferen zu lösen, und folgende Fragen zu beantworten sein:

1) wie lassen sich sechs Staubgefäfse mit einer vierblättrigen Blu-

menkrone vereinigen? |

2) welche Bewandnifs hat es mit der vorhandenen Scheidewand, E2

36 Kunrtu

deren Richtung hier, gegen die allgemein anerkannten Gesetze der Fruchtbildung, den Lappen der Narbe entspricht? und

3) warum zeigen sich die Samen an den Rändern der Scheidewand befestigt, während sie bei allen andern Gewächsen, in einem ähnlichen Falle, die Mitte derselben einnehmen würden ?

Was die erste Frage betrifft, so sucht Herr Decandolle die Zahl sechs auf die Zahl vier dadurch zurückzuführen, dafs er eine beständige Verdoppelung zweier, den schmälern Kelchblättern entsprechenden Staub- gefäfse annimmt, eine Hypothese, welche er auf die Beobachtung gründet, dafs bei dem Füllen der Blüthen in dieser Familie die Petala jederzeit in mehrere büschelförmig vereinigte Blätter getheilt werden. Zur Unterstü- tzung seiner Meinung führt er aufserdem noch einige Beispiele an, wo die längern Staubgefäfse paarweise unter sich verwachsen sind, z.B. in den Gat- tungen Anchonium, Vella, dethionema, Sterigma. Es würde mich zu weit führen, hier weitläufig auf die Widerlegung einer Behauptung einzugehen, die mir nichts zu erklären scheint, und bei welcher der verschiedene Stand der sechs Staubgefäfse durchaus nicht berücksichtigt worden ist. Eben so begnüge ich mich, die umgekehrte Behauptung einer Theilung, mit der ein- zigen Bemerkung zu widerlegen, dafs in einem solchen Falle nothwendig die beiden Hälften nur einfächrige Antheren tragen und kleiner sein müfsten, als die ungetheilten Staubgefäfse, was beides nicht der Fall ist.

Wie so oft geschieht, hat man auch hier die einfachste Erklärungsweise übersehen, und sich Schwierigkeiten geschaffen, die nicht vorhanden sind. Erinnert man sich nämlich an meine Bemerkung, dafs vier Staubgefäfse je- derzeit höher entspringen, das Pistill von allen Seiten ringförmig umgeben, und den Blumenblättern gegenüberstehen, während die zwei andern tiefer hervortreten und zweien Kelchblättern entsprechen, so begreift sich leicht, dafs man zwei Kreise von Staubgefäfsen annehmen mufs, wovon der innere oder höhere aus vieren besteht, der äufsere oder untere dagegen, durch eine Verkümmerung zweier, den schmälern Kelchblättern entsprechenden Staub- gefäfse, auf die Hälfte reducirt worden ist (1). Da diese Verkümmerung je-

(') Ich habe diese Ansicht schon im Jahre 1829 während meines Aufenthalts in London den Herren Brown, Lindley, Wallich und Alphonse Decandolle, und bei meiner Zu- rückkunft in Berlin Herrn Horkel mitgetheilt, also ein Jahr früher ehe Herrn Lindley’s

über die Blüthen- und Fruchtbildung der Cruciferen. 37

derzeit in der Richtung der Axe statt findet, so scheint sie eine Folge der gedrückten Lage der Blüthenknospe zu sein. Auf ähnliche Weise, wie in den Cruciferen, schlägt auch in einigen Gattungen der nahe verwandten Ru- taceen, z.B. in Galipea, T'worea, Diglottis, Monniera, ein Theil der Staubge- fäfse fehl, und es entwickeln sich hier, statt der zehn, welche ursprünglich vorhanden sein sollten, nur fünf bis acht, von denen aufserdem die meisten der Antheren beraubt erscheinen. In 4denandra und 4gathosma ist von den zehn Staubgefäfsen jederzeit die innere Hälfte nur unvollkommen ausgebil- det, in Diosma fehlt sie aber gänzlich. Man könnte mir einwenden, dafs in dem eben angeführten Falle die Verkümmerung mit dem innern Ringe be- ginnt, während sie sich in den Cruciferen auf den äufsern bezieht. Wie we- nig Wichtigkeit aber hierauf zu legen ist, beweisen die Thymelaeen, in de- nen gleichzeitig beide Fälle vorkommen. sStruthiola hat nämlich nur vier Staubgefäfse, obgleich sich in den verwandten Gattungen Gnidea und Passe- rina die doppelte Zahl vorfindet, sie wechseln mit den Kelchlappen ab, müs- sen also nothwendig dem obern oder innern Ringe entsprechen. In Pimelea finden sich zwei Staubgefäfse; da sie zweien Abtheilungen des Kelchs gegen- überstehen, so müssen sie einem untern oder äufsern Kreise angehören, und die Verkümmerung folglich hier mit dem obersten oder innersten begonnen haben. Andere Beispiele, wo diese Verkümmerung blofs den äufsern Ring trifft, zeigen die Gattungen Zchras und Zucuma, in denen jederzeit die äu- fsern, den Kelchblättern entsprechenden Staubgefäfse unfruchtbar, die in- nern, den Abtheilungen der Blumenkrone gegenüberstehenden vollkommen ausgebildet erscheinen. Merkwürdige Aufschlüsse über den Blüthenbau der Cruciferen lassen sich vielleicht von einer vergleichenden Untersuchung der Gattung Melianthus erwarten; ich kann sie aber jetzt wegen Mangel an frischen Blüthen nicht anstellen, und begnüge mich blofs darauf aufmerksam zu ma- chen, dafs sich hier bei fünfblättrigen, unregelmäfsigen Blüthenhüllen nur vier Staubgefäfse vorfinden, von denen zwei höher gestellt und frei, zwei tiefer entspringend, kürzer und an der Basis verwachsen sind, während man

gewöhnlich

in den Zygophylleen, zu welchen diese Gattung gehört, deren g

vortreflliche Introduction to the natural system of botany erschien, wo (pag. 14) dieselbe Be- hauptung deutlich ausgesprochen wird. Herr Brown zeigte mir bei dieser Gelegenheit die von Herrn Bauer gezeichnete monströse Blüthe einer Crucifere, in welcher sich zehn vollkommene Staubgefälse entwickelt hatten.

38 Kunrtu

zehn antrifft. Ich habe bereits bemerkt, dafs Herr Decandolle eine ähn- liche Verwachsung der Staubfäden in einigen Cruciferen beschrieben hat.

Was die Lage der Scheidewand in Ovarium betrifft, so mufs ich zu- erst mit wenigen Worten an den Unterschied zwischen ächten und falschen Scheidewänden erinnern. Die erstern werden jederzeit durch die Verwach- sung der Seitenflächen je zweier nebeneinander liegender Karpellen gebil- det, müssen also, wenn wir uns das Karpellum selbst als ein nach innen zu- sammengeschlagenes Blatt und die Spitze des Blattes als die Narbe vorstellen, jederzeit eine verticale Lage haben, und mit den Narben abwechseln. Die falschen Scheidewände können sich dagegen bald in verticaler, bald in hori- zontaler Richtung zeigen, werden niemals im Ovarium angetroffen, sondern entstehen erst in der Frucht, gewöhnlich durch eine eigenthümliche Ausdeh- nung des Zellgewebes der Placenta, seltner, wie in Astragalus (Humb. et Kunth. Nov. Gen. et Spec. 6. p.492.), durch ein Hineintreten der Rücken- naht. Diese letztere Entstehungsweise verdient hier um so mehr unsere Auf- merksamkeit, da sie uns später die Struktur der Frucht der Cruciferen er- klären helfen soll.

Nach der vorausgeschickten Bemerkung über die Lage der Scheide- wände würde also diejenige in der Frucht der Cruciferen, da sie den Narben entspricht, als eine falsche zu betrachten sein. Sie zeigt sich aber hier je- derzeit schon im Ovarium, was keinesweges von dieser gilt. Herr Decan- dolle stellt sich diese Scheidewand als aus zwei doppelten Lamellen gebil- det vor, welche aus den Placenten entspringen, und sich in der Mitte der Frucht vereinigen. Die scheinbar einfache, häutige Scheidewand, welche die beiden Fächer der Frucht trennt, besteht also, nach ihm, aus vier ein- zelnen, unter sich verbundenen Theilen. Er glaubt selbst in mehrern Cru- ciferen, nach der Mitte der Scheidewand zu, eine Längennaht bemerkt zu haben, und erklärt das sogenannte Dissepimentum fenestratum von Eudema, Cochlearia fenestrata, Farsetia aegypliaca aus einer unvollständigen Vereini- gung der Lamellen. Allein aus dieser Hypothese erfährt man im Grunde nichts weiter, als dafs Herr Decandolle in den Cruciferen ein Dissepimen- tum spurium annimmt, was die wandständigen Placenten verbindet, wogegen sich immer einwenden läfst, dafs es als solches nicht im Ovarıum vorhanden sein dürfte. Hr. Lestiboudois (in seinem Memoire sur les fruüs siliqueux,

über die Blüthen- und Fruchtbildung der Crueiferen. 39

1823.) erklärt die Gegenwart des Dissepimentum’s auf eine ähnliche Weise aus der Verwachsung der Placenten.

Bevor ich mich auf eine Entwickelung meiner Ansichten über die Bil- dung dieses Theils einlasse, ist es nöthig, von der Befestigungsweise der Sa- men zu sprechen. Diese sind nach Herrn Decandolle an zwei, zwischen den Klappen gelegenen, durch eine häutige Ausdehnung verbundenen Parie- talplacenten in doppelten Reihen aufgehängt.

Die Untersuchung der Gattung Zschscholtzia hat Herrn Lindley auf eine höchst geistreiche Betrachtung der Frucht der Cruciferen geleitet, die ich gleichfalls hier näher angeben mufs. Er fand nämlich in dieser merk- würdigen Pflanze eine einfächrige, zweiklappige Frucht, deren Klappen an den Rändern die Samen tragen, und an beiden Seiten durch eine dazwischen liegende, fadenförmige, dreikantige Naht verbunden sind, von welcher sie sich bei der Reife lösen. Bei Untersuchung der ungleich viertheiligen Narbe fand Herr Lindley, dafs die beiden Nähte den kleinern unvollkommnen, die beiden samentragenden Klappen den gröfsern vollkommnen Lappen der Narbe entsprechen, und wurde hierdurch auf die Idee geleitet, die Nähte für zwei verkümmerte Karpeliblätter zu halten, welche an ihren Rändern keine Ovula entwickelt haben. Er trug diese eben so neue als scharfsinnige Ansicht auf die Frucht der Cruciferen über, und in der Voraussetzung, dafs hier gerade der umgekehrte Fall statt finde, erklärte er Hrn. Decandolle’s placentae intervalvulares für Karpellblätter, die sich nicht gehörig ausgebrei- tet haben, aber demungeachtet eine Narbe und Samen tragen, die Klappen aber für zwei andere Karpellblätter, die niemals an ihren Rändern Samen entwickeln, daher auch keine Narbe nöthig haben. Herr Lindley würde sich ein noch gröfseres Verdienst um die richtige Kenntnifs der Frucht der Cruciferen erworben haben, wenn er zugleich gezeigt hätte, wie sich die Scheidewand bildet, welche er nothwendig für eine falsche halten mufste.

Die Untersuchung der Frucht von Zberis in einem sehr jungen Zu- stande hat mir hierüber merkwürdige Aufschlüsse geliefert. Ich fand hier nämlich bei einem dünnen Querdurchschnitt die Scheidewand, wegen der zusammengedrückten Form desOvarzum’s, sehr schmal und aus zwei convexen Hälften gebildet, welche blofs an ihren äufsersten sich berührenden Enden, und zwar so verwachsen waren, dafs man die dadurch entstandene Naht noch

40 Kuntu

ziemlich deutlich wahrnehmen konnte. Diese beiden convexen Hervorra- gungen bestehen aus einer doppelten Schicht, aus einer fleischigen, welche mit der Substanz. des Pericarpium’s verschmilzt, und aus einem ziemlich dik- ken, häutigen Überzuge, welcher sich später löst, und in der jungen Frucht eine doppelte, blofs in der Mitte verbundene Scheidewand bildet.

Diese Beobachtung, von deren Genauigkeit man sich leicht überzeugen kann, führte mich auf eine Ansicht, welche mir alle Schwierigkeiten in Be- zug auf die Gegenwart und Lage der Scheidewand zu beseitigen scheint. Ich nehme nämlich mit Herrn Lindley an, dafs die Frucht der Cruciferen aus vier Karpellblättern gebildet wird, welche blofs an ihren Rändern verwachsen sind, stelle mir aber ihr Verhalten auf folgende Weise vor. Die beiden zur Seite liegenden Karpellblätter zeigen sich nach aufsen gewölbt, weil ihrer Entwickelung kein Hindernifs im Wege stand, sie haben aber an ihren Rän- dern keine Samen entwickelt, und brauchten daher auch keine Narben. Die beiden dazwischen liegenden samentragenden Karpellblätter wurden dagegen durch ihre gedrückte Lage en die Axe an ihrer Ausbildung gehindert,

868 und waren genöthigt sich nach innen zu biegen. Auf diese Weise in der Mitte der Fruchthölung genähert, konnten sie sich leicht vereinigen, und eine Scheidewand bilden, an welcher die samentragenden Ränder jeder Hälfte gleichfalls innig verwachsen sind, und welche nothwendig als eine falsche, aber eigenthümlicher Art betrachtet werden mufs. Etwas ähnliches, nämlich ein Nachinnentreten der Rückennaht, zeigt sich, wie wir bereits bemerkt haben, an Zstragalus, ist aber keinesweges mit der Scheidewand der Cru- ciferen zu verwechseln.

Nach den aufgestellten Ansichten liefse sich der Karakter der Cruci-

feren jetzt auf folgende Weise festsetzen:

Sepala quatuor, libera; lateralia latiora. Petala totidem, hypo- gyna, cum sepalis alternantia, unguiculata. Stamina numero dupla, hy- pogyna, ex quatuor exterioribus duo (posterius, axi contiguum, et ante- rius) plane obliterata. Ovarium e carpellis quatuor compositum; carpella aperta, nonnisi marginibus connala; duo lateralia concava vel carinata, ovulis destituta; duo (axi respondentia) stigmatifera, ovulifera, dorso in- tus flexa inque dissepimentum coniuncta, cuius margines ovuliferi per pa- via dorso confluentes.

über die Blüthen- und Fruchtbildung der Cruciferen. 41

Sobald man in den Cruciferen die Zahl der Staubgefäfse, wie wir ge- than haben, aus einer Verkümmerung der Zahl acht herleitet, wird man nothwendig zu einer Vergleichung dieser Familie mit den Rutaceen, nament- lich mit der Gattung Ruta geführt, wo sich die Zahl acht zugleich mit der Zahl zehn antrifft, und man wundert sich, eine Verwandtschaft nicht früher bemerkt zu haben, welche sich im Habitus, im Blüthenbau, im Geruch, im Geschmack und in der Farbe vielfach zu erkennen giebt.

Ich hätte gewünscht, dieser Abhandlung durch zahlreichere Beobach- tungen und Zeichnungen eine gröfsere Vollständigkeit zu geben; die Jahres- zeit erlaubt mir aber nicht, die hierzu nöthigen Pflanzen im frischen Zustande untersuchen zu können, was in dem gegenwärtigen Falle unumgänglich noth- wendig ist. Aus demselben Grunde habe ich auch nicht der Capparideen erwähnt, ob sich gleich vielleicht in ihrer Struktur neue Beweise für meine Theorie finden liefsen.

Erklärung der Abbildungen.

Tab. 1.

Fig. 1. Verticaler Durchschnitt einer Blüthenknospe von Mathiola incana, um daran die gegenseitige Lage der Theile zu zeigen; a die beiden zur Scite stehenden, breitern Kelchblätter; 5 die beiden schmälern Kelchblätter; c die Petala; d die beiden kürzern Staubgefäfse; e die vier längern Staubgefäfse ; / das Ovarium.

Fig. 2. Die Staubgefäfse derselben Pflanze nebst dem Pistill. Fig.3. Ihr Pistill. Fig.4. Der obere Theil des Pistills, in der Richtung der breitern Kelch-

blätter gesehen.

Fig.5. Das Stigma und das durchschnittene Ovarium, in ihrer gegenseitigen, natürlichen Lage.

Fig.6-8. Drei Durchschnitte des Ovarium’s einer /beris in verschiedenen

Zuständen, zur Erläuterung meiner Ansichten über die Bildung der Scheidewand. Phys. Abhandl. 1832. F

Kuntu über die Blüthen- und Fruchtbildung der Cruciferen.

Tab. II. A.

. Durchschnitt der Frucht einer Crucifere, nach Herrn Lindley. . Eingebildeter Durchschnitt der Frucht einer Crucifere, um zu zeigen,

wie man sich die Bildung der Scheidewand vorstellen kann. Eingebildeter Durchschnitt einer Crucifere bei einer vollkommnen

Ausbildung. Die schattirten Theile sind diejenigen, welche sich ge- wöhnlich nicht ausbilden.

Durchschnitt der Frucht von Zschscholtzia, nach Herrn Lindley.

————m— mn mm non

Über einige Aublet'sche Pllanzengattungen.

Von

IR DINNDEH:

[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 19. Juli 1832.]

Auvıers im Jahre 1775 erschienene Histoire des plantes de la Guiane fran- coise fand im Allgemeinen bei den Botanikern jener Zeit wenig Beifall, viel- leicht gerade weil sich dieses Werk durch eine grofse Genauigkeit und einen daraus nothwendig folgenden Reichthum von Beobachtungen auszeichnete, deren Werth man aber bei den damaligen beschränkten Ansichten von Struk- tur und Klassifikation der Gewächse nicht gehörig zu würdigen im Stande war. Nachdem man einen Theil der von Aublet aufgestellten Gattungen in Zweifel gezogen oder als unstatthaft verworfen hatte, erlaubte sich Schreber eine noch gröfsere Ungerechtigkeit gegen diesen verdienstvollen Reisenden, indem er die meisten seiner Gattungsnamen als /omina barbara verwarf, und gegen andere oft nicht glücklicher gewählte vertauschte. Er stützte sich hierbei auf einen von Linn& in dieser Beziehung aufgestellten Grundsatz, welcher gewifs Berücksichtigung verdient, sobald es darauf ankommt, neue Namen zu bilden, aber nie zu willkührlichen Umänderungen gemifsbraucht werden sollte.

Erst in neuern Zeiten, als es sich zeigte, dafs Bernhard von Jussieu der eigentliche Verfasser des Aublet’schen Werkes war, als man mehrere Beobachtungen dieses grofsen Naturforschers wiederholt und ihre Genauig- keit erkannt hatte, liefs man dieser vortrefflichen Arbeit volle Gerechtigkeit wiederfahren, und bemühte sich überall, wo dies nicht zu grofse Umände- rungen zur Folge hatte, die frühern Namen wiederherzustellen. Hiermit ist aber dem Übel nicht abgeholfen, welches für die Wissenschaft aus einem so tadelnswerthen Verfahren entstanden ist; die Botaniker werden vielmehr

F2

A4 Kunsrtu

immer über eine unnütze Vermehrung der ohnehin schon so lästigen Syno- nymie zu klagen haben.

Wenn sich noch jetzt einige Zweifel über die Haltbarkeit gewisser Au - blet’schen Gattungen erheben, so hat dies hauptsächlich in der Verschieden- heit der Ansichten der Botaniker über Gattungsmerkmale seinen Grund; sie werden so lange bestehen, als sich verschiedene Personen mit demselben Gegenstande beschäftigen. In den wenigen Fällen aber, wo eine nochmalige Untersuchung nöthig sein dürfte, mufs man bedauern, dafs die Aublet’sche Sammlung verlohren gegangen ist, und dafs sich verhältnifsmäfsig noch so wenige Pflanzen der Guiane in unsern Herbarien vorfinden.

Unter den grofsen botanischen Schätzen, welche ich dem Pariser Mu- seum verdanke, befindet sich auch eine bedeutende Sammlung von Gewäch- sen der französischen Guiane. Ich war daher im Stande mehrere Aublet’sche Gattungen auflinden, untersuchen und mich von ihren Werthe überzeugen zu können.

Ich beschränke mich aber in der gegenwärtigen Abhandlung blofs auf die Gattungen Outea, Vouapa, Parivoa, Arouna, Danara und Yantanea.

Uber die Gattungen Qutea, Vouapa, Parıyoa und Arouna.

Die Gattungen Outea und Fouapa von Schreber, Willdenow und ie) »

Vahl unter dem Namen Macrolobium vereinigt, zeichnen sich in der Gruppe der Caesalpinieen, zu welcher sie gehören, hauptsächlich durch die Zahl der Staubgefäfse und die auf ein einziges Blatt beschränkte Blumenkrone aus. rr Decandolle führt in seinem Prodromus von der ersten Gattung drei Herr De lolle führt Prod. d ten Gattung dre Arten auf, nämlich Outea multjuga, O.gutanensis und O. bijuga. Da aber fi: candolle’s eigner Vermuthung seine O. multjuga von der

nach Herrn Decandoll g g jug Aublet’schen kaum als Species verschieden zu sein scheint, und die Cole- brook’sche Pflanze wahrscheinlich nicht hieher gehört, so beschränkt sich die ganze Gattung vielleicht bis jetzt auf die einzige Aublet’sche Art. Ich habe blofs ein Exemplar von Outea multjuga untersuchen können, und an ihm folgende wesentliche Struktur beobachtet. Der Kelch besteht aus fünf gleichen, nach unten verwachsenen Blättern; die auf diese Weise gebildete Röhre ist kurz und trichterförmig, der freigebliebene Theil der Kelchblätter

über einige dublet'sche Pflanzengattungen. 45 dagegen zurückgeschlagen. Von diesen sind aufserdem die beiden obersten bis an die Mitte unter sich verwachsen, und bilden eine obere Kelchlippe. Die Blumenkrone besteht nur aus einem einzigen Blumenblatte, was sehr grofs, langgestielt, abgerundet, am Rande gefaltet und kraus ist, und an der Mündung der Kelchröhre vor den beiden verwachsenen Lappen befestigt er- scheint. Die drei sehr langen und freien Staubgefäfse entspringen an der, dem Blumenblatte entgegengesetzten Seite der Kelchröhre, und befolgen eine aufsteigende Richtung. Der Fruchtknoten ist einfach, gestielt, schief eiförmig, zusammengedrückt, und enthält ein einziges, unter der Spitze aufgehängtes Eichen. Der pfriemförmige, gipfelständige Staubweg endigt sich mit einer einfachen Narbe. Die Früchte sind grofs, plattgedrückt, fast rund, holzig, und enthalten einen einzigen, linsenförmigen Samen. Die Blätter erscheinen abgebrochen gefiedert, während die Blüthen achselstän- dige Ähren bilden. Jede Blüthe ist an ihrer Basis mit zwei grofsen, häutigen Nebenblättchen versehen, welche dieselbe vor ihrer Entwickelung klappen- förmig einhüllen.

OUTEA MmuLTIWsuGA Decand.

Calyx bibracteatus; tubus turbinato-hemisphaerieus; limbus quin- quepartitus, reflexus, membranaceus; laciniis lanceolato-oblongis, acumi- natis, subaequalibus, duabus superioribus usque ad medium cohaerentibus, tubo triplo longioribus. Bracteae oppositae, ellipticae, concavae, obtusae, multinerviae, calyce longiores, membranaceae, aequales, patentissimae, gla- brae, ante apertionem floris valvatim approximatae. Petalum unicum, ma- ximum, unguiculatum, summo tubo aute lacinias duas connatas insertum, subadscendens, glabrum; unguis canaliculatus, margine membranaceus, basi parum dilatatus, laciniis calycinis duplo longior, intus pilis raris conspersus ; lamina suborbiculato-reniformis, margine plicato-crispata, longitudine fere unguis. Stamina tria, summo tubo, ad latus petalo oppositum inserta, ap- proximata, adscendentia, subaequalia, petalum superantia. Filamenta hili- formia, glabra, libera. Antherae subellipticae, basi emarginatae, apice ob- tusae, dorso aflıxae, biloculares, interne secundum longitudinem dehiscen- tes, punctato-scabratae. Filamenta in alabastro subspiraliter involuta. Ova- rium stipitatum, oblique ovatum, compressum, apice in stylum desinens, uniloculare; ovulum ovatum, compressum, infra apicem affıxum, loculum

46 Kuste

replens, margine ciliatum; stipes crassiusculus, cum ovario subarticulatus, hirtello - ciliatus. Stylus subulato-filiformis, glaber, staminibus brevior. Stigma simplex?

Aublet’s Beschreibung von Outea guianensis stimmt in Wesentlichen mit der meinigen überein, nur erwähnt derselbe aufser des grofsen Blumen- blattes noch vier kleinerer, von denen ich in meiner Pflanze keine Spur bemerkt habe, und deren Gegenwart nicht allein eine Verschiedenheit der Art, sondern selbst der Gattung voraussetzen liefse.

Von den drei in Herrn Decandolle’s Prodromus aufgeführten Arten der Gattung Youapa habe ich gleichfalls nur eine, nämlich F. bifolia unter- suchen können, mich aber hierbei hinlänglich überzeugt, dafs sie kaum eine von Outea zu trennende Gattung zu bilden verdient. Der Kelch ist in mei- ner Pflanze vierblättrig, seine Blätter sind ungleich, nach unten in eine kurze Röhre verwachsen, und mit zwei Nebenblättchen versehen, ihr freigeblie- bener Theil erscheint zurückgebogen. Das grofse, spatelförmige Blumenblatt steht an der Mündung der Kelchröhre. Die drei Staubgefäfse sind eben da- selbst, aber an der dem Petalum entgegengesetzten Seite befestigt, und ha- ben sehr lange, freie Staubfäden und kleine, fast runde Staubbeutel. Das Ovarium zeigt sich gestielt und einfächrig, verlängert sich in einen faden- förmigen Staubweg, und trägt eine einfache, stumpfe Narbe. Zwei Eichen be- finden sich an der dem Blumenblatte zugewandten Seite übereinander auf- gehängt. Die Frucht ist nach Aublet breit, lederartig, einsamig und zwei- klappig.

VOUAPA Bırouıa Aubl. (Tab. II. £.)

Calyx basi bibracteatus, glaber; tubo parvo, urceolato; limbo qua- dripartito; laciniis elliptieis, obtusis, concavis, membranaceis, reflexis, in- aequalibus, ante apertionem floris imbricatis. Bracteae oppositae, obovatae, concavae, externe tomentosae, lacinias calycinas aequantes, subaequales. Petalum (Fig. 1.) unicum, summo tubo insertum, maximum, spathulatum, glabrum; lamina laciniata?, ante apertionem floris plicata et galeato -curvata ; ungue lato, ciliato, ima basi dilatato. Stamina tria, ibidem inserta, sed ad alterum latus, petalo opposita. Filamenta longissima, libera, inferne pilo- siuscula, ante apertionem floris subspiraliter involuta. Antherae (Fig. 3.)

über einige Aublet’sche Pflanzengattungen. 47

tubereulis punctiformibus asperatae, dorso affıxae, aequales. Ovarium (Fig. 2.) stipitatum, tomentoso-hirtum, oblique ovato-oblongum, uniloculare, apice in stylum desinens; ovula duo, suturae vexillum spectanti affıxa, super- posita, pendula, glabra. Stylus longissimus, glaber, spiraliter involutus. Stigma obtusum, simplex.

Folia alterna, conjugata. Racemi axillares et terminales, solitarii, sim- plices. Flores sparsi.

Y ouapa Simiri stimmt nach Aublet im Habitus und im Fruchtbau mit der eben beschriebenen Art vollkommen überein. Blüthen hat Aublet da- ran nicht beobachtet. Die gefiederten Blätter sind auch hier blofs auf zwei Blättchen beschränkt (/ola geminata), und die Blüthen bilden achsel- und gipfelständige Trauben.

Vergleicht man die gegebenen Beschreibungen von Outea und Fouapa, so zeigt sich, dafs der einzige Unterschied dieser beiden Gattungen auf der Zahl der Kelchblätter, der Eichen und auf der Blattform beruht, und man ist geneigt, sie mit Schreber zu vereinigen. Was aufserdem die Zahl der Kelchblätter betrifft, so läfst sich vielleicht in der Gattung Youapa eine völ- lige Vereinigung der beiden obersten Blätter annehmen, wodurch also der Unterschied, welcher sich auf die Zahl der Kelchblätter gründet, gleichfalls wegfallen würde.

An die beiden genannten Gattungen schliefst sich ferner Parivoa an, und unterscheidet sich von Youapa hauptsächlich durch die Zahl der Staub- gefäfse, welche aufserdem so unter sich verwachsen sind, dafs neun eine nach oben offne Röhre bilden, während das zehnte (dem Petalum gegen- überstehende?) frei bleibt. Das Ovarıum enthält vier Eichen, und verwandelt sich in eine Frucht, die ebenfalls breit gedrückt, holzig, zweiklappig und einsamig ist. Warum aber Herr Decandolle Pariwoa tomentosa, welcher Aublet ein grofses Petalum zuschreibt, zu der apetalen Gattung Crudya zieht, kann ich nicht einsehen.

PARIVOA GRANDIFLORA Aubl. (Tab. IIT. A.)

Calyx glaber; tubus brevissimus; limbus quadripartitus; laciniis ob- longis, obtusis, concavis; una duplo latiore, elliptica. Petalum (Fig. 1.) unicum, summo tubo calycis insertum, laciniae latiori oppositum eamque

48 Kunrtn

triplo quadruplove superans, inferne subcucullatum, glabrum. Stamina (Fig.2.) decem, diadelpha, ibidem inserta, alterna et gradatim breviora, novem inferne connata, decimum (ex longioribus) liberum. Filamenta gla- bra. Antherae oblongae, ineumbentes. Ovarium (Fig. 3.) stipitatum, apice in stylum attenuatum, compressum, glabrum, uniloculare (Fig. 4.); ovula (Fig. 5.) quatuor, uniserialia, elliptica, infra apicem suspensa. Stylus glaber. Stigma acutiusculum. Discus nullus.

Sehr verschieden von dieser Gruppe und Ceratonia, Copaifera, Coda- rium und andern apetalischen Gattungen näher verwandt, ist dagegen die Gattung Afrouna, welche Vahl und nach ihm auch Herr Decandolle mit der Linne&’ischen Gattung Dialium vereinigt haben. So unzuläfsig mir auch diese Vereinigung scheint, so kann ich meine Meinung dennoch bis jetzt nicht mit hinlänglichen Beweisgründen unterstützen, da es mir blofs vergönnt war, eine einzige, sehr unvollständige Blüthe der Linne’ischen Pflanze zu unter- suchen. Ich begnüge mich, darauf aufmerksam zu machen, dafs die Anthe- ren, welche in Dialium sehr lang sind, in Arouna jederzeit kurz und breit erscheinen. Das Ovarium zeigte in beiden Pflanzen dieselbe innere Struktur, nämlich ein Fach und zwei unter der Spitze aufgehängte Eichen. An einem Exemplar von ASrouna guianensis, welches ich im Pariser Museum untersuchte, habe ich folgenden Blüthenbau beobachtet. Der Kelch besteht aus fünf, blofs an der Basis verwachsenen Blättern von ziemlich gleicher Gröfse, und zeigt im Grunde einen scheibenartigen, ängewachsenen Discus, an dessen Rande, und zwar nebeneinander, zwei freie Staubgefäfse entspringen. Eine Blumen- krone ist nicht vorhanden. Das Ovarium ist sitzend, nimmt die Mitte des Discus ein, und endigt sich {in einen dünnen, gekrümmten Staubweg mit dicklicher, stumpfer Narbe. Die Frucht beschreibt Aublet als eine trockne, mit einer Längenfurche versehene, nicht aufspringende, ein- oder zweisa- mige Hülse, deren Samen mit einer fleischigen Materie umhüllt sind. Die Blätter erscheinen ungleich gefiedert, und die sehr kleinen Blüthen bilden achsel- und gipfelständige Rispen.

AROUNA Guimnensiıs Aubl. (Tab. II. 5.)

Calyx (Fig. 2.3.) quinquepartitus, patentissimus, laciniis oblongis, obtusis, subaequalibus, planiusculis, externe striguloso-tomentosus et fer-

über einige dublet’sche Pflanzengattungen. 49

rugineus, interne subhirtellus, erassiusculus. Discus? magnus, orbicularis, planus, integer, tenuis, hirtellus?, fundo calycis adnatus, nonnisi imo mar- gine libero. Praefloratio (Fig. 1.): laciniae marginibus sibi incumbentes. Corolla nulla. Stamina (Fig. 5.) duo, sub margine disci inserta, unilateralia, laciniis duabus vieinis subopposita iisque paulo breviora. Filamenta subulata, glabra, libera. Antherae ellipticae, acutiusculae, basi subemarginatae, dorso supra basim affıxae, erectae, biloculares, utroque latere per suturam lon- gitudinalem notatae ibique puberulae, apice bivalves. Ovarium (Fig. 4. 6.) centrale, sessile, ovatum, compressiusculum, densissime striguloso -tomen- tosum, ferrugineum, apice in stylum desinens, uniloculare (Fig. 7.); ovula (Fig. 8.9.) duo, superposita, angulo stamina spectanti affıxa, pendula. Sty- lus teretiusculus, ovario brevior, versus stamina deelinatus. Stigma obtusum.

Arbor alternifolia. Folia imparipinnata; foliola alterna, petiolata. Paniculae ramosissimae, axillares et terminales.

Ich kann nicht umhin, hier noch zweier nahe verwandten Gattungen zu erwähnen, und einige Bemerkungen über ihren Blüthenbau mitzutheilen. Ich meine die Gattungen Codarium und Jonesia. Die erstere, welche So- lander aufstellte und Vahl bekannt machte, stimmt in den meisten wesent- lichen Punkten mit der Gattung Zrouna überein, unterscheidet sich von ihr aber vorzüglich durch den Mangel des Discus, durch das gestielte Ovarium und die drei Staubgefäfse, wovon das mittelste, steril und schuppenartig, von Herrn Decandolle fälschlich für ein Petalum angesehen wird. Fol- gende Beschreibung der Blüthentheile ist nach einem im Jussieu’schen Her- barium aufbewahrten Originalexemplare von Vahl’s Codarium nitidum ent- worfen worden. Später hat mir Herr Gay ein vollständiges Exemplar dieser seltenen Pflanze für meine Sammlung mitgetheilt.

CODARIUM nıtınum Vahl. (Tab. I. 2.)

Calyx utrinque tenuissime tomentosus; tubo abbreviato-turbinato, tardius dilatato, undulato et persistente; limbo quinquepartito, deciduo; laciniis ovatis vel oblongis, acutiusculis, subconcavis, parum inaequalibus, patentissimo-reflexis?, ante apertionem marginibus sibi mutuo incumbenti- bus. Corolla nulla. Stamina tria, summo tubo inserta, unilateralia; duo lateralia (Fig. 1.2.) fertilia; intermedium (Fig. 3.) dimidio minus, effetum.

Phys. Abhandl, 1832. G

50 Kustu

Filamenta crassiuscula, teretia, libera, glabra, apice subulata; in stamine sterili brevissimum, cum anthera continuum. Antherae ovato-oblongae, obtusae, cordatae, vix supra basim aflıxae, erectae, biloculares, glabrae; connexivum crassum; loculi secundum longitudinem latere dehiscentes. An- thera effeta ovato-oblonga, complanata, purpurea, loculis obliteratis. Ova- rium (!) stipitatum, oblique ovato -subrotundum (Fig. 4.), compressiusculum, densissime hirtellum, apice in stylum desinens, uniloculare (Fig. 5.); ovula duo, lineari-oblonga, suturae interiori affıxa, supraposita, infra apicem sus- pensa, in directione diagonali loculi sita. Stipes longitudine ovarii, inferne tubo calycis, ad latus a staminibus aversum adnatus, densissime hirtellus. Sty- lus subulatus, intus curvatus, glabriusculus. Stigma simplex, obtusum.

Folia imparipinnata; foliola quinque, subopposita. Paniculae ramo- sissimae, subterminales. Flores pedicellati, subracemosi, parvi.

Die Roxburgh’sche Gattung Jonesia, welche ich (Nova Genera et Species plantarum 6. p. 312.) im Jahr 1823, also zwei Jahre früher als Herr Decandolle, für einerlei mit Saraca Linn. erklärte, gehört also gleich- falls zur Gruppe der apetalischen Caesalpinieen, und scheint sich durch eine grofse Unbeständigkeit in der Zahl der Staubgefäfse auszuzeichnen. Da sich diese Pflanze nur in wenigen Herbarien vorfindet, so dürfte eine genaue Be- schreibung der Blüthentheile um so mehr einiges Interesse gewähren, da in einem neuern, sehr verbreiteten Werke weder meine frühere Bemerkung, noch die spätern Decandolle’schen Berichtigungen benutzt worden sind. Herr Sprengel verfällt vielmehr in seinem Systema Fegetabilium wieder in die alten Irrthümer, unterscheidet zwei Gattungen, wovon er die eine in die Heptandria, die andere in die Diadelphia setzt, verwechselt die Brac- teen mit dem Kelche und diesen mit der Blumenkrone, und läfst die Staub- gefälse auf einem ringförmigen Nectarium entspringen. Die folgenden Beob-

achtungen sind an Exemplaren gemacht, welche ich vor zehn Jahren im Pa- riser Museum zu untersuchen Gelegenheit hatte.

IONESIA pınsara Willd.

SARACA ıDıcA Linn. Folia paripinnata; foliola opposita, petiolulata, integerrima. Co- rymbi subterminales, ramosissimi. Flores racemosi, pedicellati, polygami;

(‘) Vidi in flore unico ovaria duo, altero minore.

über einige dublet’sche Pflanzengattungen. 51

pedicellis brevibus, basi articulatis et unibracteatis, apice bibracteolatis. Bractea elliptica, acutiuscula, concava, membranacea, glabra, colorata, ob- solete nervosa, basi articulata et caduca. Bracteolae suboppositae, subro- tundo-ovatae, obtusae, concavae, coloratae, glabrae, aequales, tubo multo breviores, caducae.

Flores hermaphroditi: Calyx glaber; tubus elongatus, cylindraceus, erassiusculus, superne paulo ampliatus, inferne repletus; limbus quadripar- titus; laciniis tubo brevioribus, ovato-elliptieis, obtusis, concavis, ciliatis, obsolete reticulato-nervosis, subaequalibus, membranaceis, patentissimis. Praefloratio: laciniae marginibus sese mutuo obtegentes. Petala nulla. Sta- mina octo, summo tubo inserta, modo septem longissima fertilia, octavum (laciniae oppositum) minutissimum subulatum sterile, modo sex longissima, duo opposita minutissima sterilia. Filamenta filiformia, glabra, ima basi connata. Antherae oblongae, utrinque emarginatae, dorso affıxae, bilocu- lares, scabriusculae, secundum longitudinem interne dehiscentes, subaequa- les. Stamina in alabastro involuta. Ovarium fauei calycis sub stamine ste- rili insertum, stipite in tubum decurrente, lineare, compressum, glabrum, ad suturas puberulum, apice in stylum desinens, uniloculare; ovula 8 - 9, suturae rectiori, externe spectanti affıxa, uniseriata, subovata, infra apicem suspensa, glabra. Stylus elongatus, glaber, intus curvatus. Stigma subca- pitellatum. Fructus mihi haud suppetit. Legumen 4-8-spermum, compresso- planum, acinaciforme, suturis callosis; teste Decandolleo. Flores mas- euli: Calyx ut in floribus hermaphroditis. Stamina quatuor, summo tubo in- serta, cum laciniis calycis alternantia easque duplo superantia, subaequalia. Filamenta filiformia, glabra, ima basi in annulum crassiusculum connata, interjectis lobulis squamaeformibus. Antherae ovato-ellipticae, utrinque emarginatae, dorso affıxae, biloculares, glabrae, secundum longitudinem latere dehiscentes, aequales. Squamulae filamentis interjectae crassiusculae, ovatae, acutiusculae, geminae, uni laciniae interiori oppositae, mucronulo subulato (rudimento staminis quinti) interposito. ÖOvarium minutum, la- einiae calycis sub squamula dupliei insertum (stipitatum, stipes tubo ad- natus, ‚quod tamen in speciminibus examinatis haud visibile), lineari- ob- longum, compressiusculum, utrinque angustatum, glabrum, ad suturam non ovuliferam pubescens, apice in stylum brevissimum uncinato-revolutum de-

G2

52 Kunrtn

sinens, uniloculare. Ovula circiter decem, suturae rectiori affıxa, adscen- dentia?, lenticularia.

Über die Gattung Banara.

Ich habe in meiner vor 10 Jahren erschienenen Abhandlung über die Malvaceen zu zeigen gesucht, dafs die Gattung Banara keinesweges den Ti- liaceen angehöre, zu welchen sie Herr von Jussieu gestellt hatte, sondern einer neuen Familie zugezählt werden müsse, in welcher ich unter den Na- men der Bixineen die Gattungen Zixa, Laetia, Abatia, Patrisia, Prockia, Ludia und Kuklia vereinige. Das einfächrige Ovarıum, die wandständigen Placenten, die Lage der Kelchblätter vor dem Entfalten der Blüthe, und die häufige Abwesenheit der Blumenkrone haben mich hauptsächlich zur Aufstellung dieser neuen Familie bewogen. Spätere Beobachtungen haben zwar über diesen Gegenstand mehr Licht verbreitet, und die Verwandschaft meiner Familie mit der ältern Richard’schen der Flacourtianeen hinlänglich dargethan, mich aber keinesweges von der Nothwendigkeit einer Vereinigung überzeugt. Sollte dies letztere jedoch in der Folge nöthig gefunden wer- den, so würde ich auf keinen Fall dazu rathen, wie Richard der Sohn ge- than hat, den ältern Namen beizubehalten, da er von einer Gattung herge- nommen ist, welche offenbar eine Ausnahme bildet, und den Hauptkarak- ter der Familie, nämlich ein einfächriges Ovarıum mit wandständigen Placen- ten, nicht darbietet. Der abweichende Bau des Ovarium’s und der Frucht von Flacourtia ist von mir im 7“ Bande der Nova Genera weitläufig beschrie- ben worden, und ich begnüge mich jetzt darauf zu verweisen. Da nur nach einer genauen Kenntnifs aller hieher gehörigen Pflanzen über die Vereini- gung beider Familien und die weitere Gruppirung der Gattungen eine Ent- scheidung abgegeben werden kann, so mufs jeder Beitrag hierzu erwünscht sein. Der meinige beschränkt sich gegenwärtig auf einige Bemerkungen über die Gattung Banara, welche sich meines Wissens auf dem Continente blofs in den Pariser Sammlungen und in der meinigen vorfindet.

über einige dublet’sche Pflanzengatiungen. 53

BANARA curanensıs Aubl. (Tab. II. c.)

Calyx (Fig. 2.) sexfidus, persistens, reflexus, externe sericeus; laciniis tribus exterioribus subrotundis, acutiusculis, aequalibus; tribus interioribus parum longioribus, oblongis, obtusis, aequalibus. Corolla et Stamina haud vidi, perigyna? Ovarium (Fig. 1.) liberum, sessile, ovatum, in stylum desi- nens, laeve, glabrum, uniloculare (Fig.5.); placentae (Fig. 3.4.) septem (vel plures), lineares, per membranam dorsalem parieti ovarii secundum lon- gitudinem adnatae, undique ovuliferae. Ovula creberrima, minutissima. Stylus erectus, cum ovario haud articulatus, glaber. Stigma stylo vix crassius, obtusum. Discus nullus. Fructus mihi ignotus.

Über die Gattung Jantanea.

Ehe ich von der Verwandschaft dieser Gattung spreche, ist es nöthig den wesentlichen Bau ihrer Blüthentheile anzugeben. Ein kurzer, röhriger, undeutlich gezähnter Kelch umgiebt fünf freie, sehr lange, aber schmale, gleichgrofse Blumenblätter, welche vor ihrer völligen Entwickelung mit ihren Rändern sich gegenseitig deckten. Hierauf folgen in doppelten Reihen sehr zahlreiche Staubgefäfse, welche zwar an der Basis unter sich verwachsen sind, aber mit den übrigen Blüthentheilen durchaus keine Verbindung eingehen. Das Connexivum ikrer Antheren verlängert sich oberhalb der Fächer in eine schnabelförmige Spitze. Ein sitzendes, freies, fünffächriges Ovarium nimmt die Mitte der Blüthe ein, ist an der Basis mit einer fleischigen, ringförmigen Wulst umgeben, enthält in jedem Fache zwei über einander aufgehängte Eichen, und trägt einen einzigen Staubweg, welcher sich an der Spitze in eine ungetheilte Narbe verdickt. Die Frucht ist noch unbekannt geblie- ben. Die Pflanze zeigt sich baumartig, hat abwechselnde, lederartige, völ- lig ungetheilte Blätter, und entwickelt ihre Blüthen auf achsel- oder gi- pfelständigen, gabelförmig getheilten Blüthenstielen.

Der Jussieu’sche sehr kurze Karakter dieser Pflanze stimmt in der Hauptsache mit der so eben gegebenen Beschreibung überein, erwähnt aber weder der innern Struktur des Ovarium’s, noch der sonderbaren Verlänge-

54 Kunrtna

rung des Connexivum’s der Antheren. Bei einer so unvollkommnen Kennt- nifs war es daher nicht zu verwundern, dafs Herr von Jussieu die Klassifi- kation dieser Gattung aufgab, und sie unter die Genera incertae sedis setzte. Seit dieser Zeit hat meines Wissens blofs Herr Reichenbach einen Versuch gemacht, sie unterzubringen, aber sein Vorschlag, sie den Olacineen zu nä- hern, hat wegen der verschiedenen Struktur des Ovarium’s wenig Beifall ge- funden, ob sich gleich nicht läugnen läfst, dafs die Aurantiaceen, mit denen die natürliche Gruppe, zu welcher F’atanea gehört, am nächsten verwandt ist, in mehrern Karaktern mit den Olacineen übereinstimmen. Es läfst sich nicht errathen, welchen Platz Herr Decandolle dieser Pflanze in seinem Prodromus anzuweisen gedenkt, da sie in keiner der polvpetalischen Fami- lien erwähnt wird. Die Betrachtung der Verwandschaften lag aufser dem Gebiete der Forschungen Schreber’s, er begnügt sich daher in seinem Werke Genera Plantarum die Gattung Fantanea, mit Aublet, in die Polyandria Monogynia zu setzen, nachdem er den ziemlich wohlklingenden karaibischen Namen gegen einen andern, unpassenden vertauscht hatte. Man begreift in der That nicht, was sich Schreber bei demNamen Zemniscea gedacht hat, und welche Ähnlichkeit er zwischen unserer Pflanze und Ayuvirzes ( fasciola e corona dependens, linteamentum oblongum quod vulneri inditur) gefunden haben kann. Zufälliger Weise läfst Schreber die Gattung J’antanea unmit- telbar auf diejenige folgen, mit der sie, nach meiner Ansicht, die gröfste Ähn- lichkeit zeigt, nämlich auf Youmiria Aubl.

Die nähere Verwandtschaft der Gattung Houmiria war aber Herrn von Jussieu gleichfalls entgangen, und wurde erst in neuerer Zeit von sei- nem Sohne und Herrn von Martius wieder in Anregung gebracht, und durch verdienstvolle Arbeiten beleuchtet. Letzterer zeigte zuerst (in seinen Nova Ge- neral.p.147), dafs die Gattung Houmiria mit zwei andern, von ihm aufge- stellten brasilianischen Gattungen, Helleria und Sacoglottis, eine besondere Fa- milie bilde, deren Verwandtschaft mit den Meliaceen er jedoch in Zweifel läfst. Herr AdrienvonJussieu (in St. Hilaire Z’/ora Bras. 11. p. 87) stimmt ihm hierin bei, nennt die neue Gruppe nach der zuerst gekannten Gattung Hou- miriaceae, und erregt über die angegebene Verwandtschaft dieselben Zweifel, ohne jedoch eine andere anzugeben. Ich weifs nicht, ob er dies vielleicht in spätern Arbeiten zu thun gedachte. Es ist keinesweges meine Absicht, diesen Gegenstand hier weitläuftiger zu erörtern, zumal da es mir hierzu an

über einige dublet’sche Pflanzengattungen. 55

den nöthigen Materialien fehlt, ich glaube aber, dafs hierbei die Lindley- schen Ansichten eine besondere Berücksichtigung verdienen würden. Dieser scharfsinnige Beobachter nähert die Houmiriaceen den Aurantiaceen, macht aber gleichzeitig auf ihre Verwandtschaft mit den Meliaceen, Diosmeen und Styraceen aufmerksam,

Der Karakter der Houmiriaceen ist nach Herrn Adrien von Jussieu kürzlich folgender. Ein fünftheiliger Kelch. Fünf freie Petala. Zehn, zwan- zig oder mehrere hypogynische, monadelphische Staubgefäfse, deren Anthe- ren in eine verlängerte Spitze auslaufen. Ein fünffächriges, an der Basis mit einer ringförmigen Wulst umgebenes Ovarium, dessen Fächer ein oder zwei Eichen enthalten. Ein Staubweg und eine Steinfrucht. Der Embryo liegt ge- rade in der Mitte eines fleischigen Albumens. Der Stamm baum - oder strauch- artig. Die Blätter abwechselnd, einfach, ungetheilt, lederartig. Die Blüthen in Afterdolden an der Spitze der Zweige und in den Achseln der Blätter.

Unsere Pflanze stimmt im äufsern Ansehen und im Blüthenbau ge- nau mit dem so eben gegebenen Karakter der Houmiriaceen überein, und es ist zu erwarten, dafs die Frucht, deren Kenntnifs mir bei Fantanea noch abgeht, keine wesentliche Verschiedenheit darbietet. Am meisten scheint sich Yantanea der Gattung Helleria zu nähern, es zeigen sich aber in dem Bau des Kelchs, der Vertheilung der Staubgefäfse, der Form der Antheren und der Beschaffenheit der Narbe mehrere wesentliche Unterschiede. Hel- leria hat nämlich nach den Herren von Martius und von Jussieu einen fünftheiligen, mit drüsigen Vertiefungen versehenen Kelch, zahlreiche, in fünf Bündel vertheilte Staubgefäfse, in eine kegelförmige Drüse auslaufende An- theren, und eine fünflappige Narbe, während Fantanea einen kurzen, röh- renförmigen, undeutlich gezähnten Kelch, zahlreiche, zwei Reihen bil- dende Staubgefäfse, an der Spitze schnabelförmig verlängerte Antheren und eine ungetheilte Narbe zeigt.

Ich schliefse diese Bemerkungen mit einer Beschreibung von Fantanea guianensis in lateinischer Sprache.

VANTANEA Gumanensıs Aubl. (Tab. II. D.)

Calyx urceolatus, integer vel irregulariter dentatus. Petala quinque, inter stamina et calycem hypogyna, hoc multoties longiora, linearia, aequalia,

56 Kuntm über einige dubletsche Pflanzengattungen.

sessilia, ante apertionem floris marginibus incumbentia, crassiuscula, externe pubescentia; pube simplici. Stamina (Fig. 1.2.) creberrima (102), inter petala et discum imposita, hypogyna, subbiseriata, inaequalia, longitudine petalorum. Filamenta capillacea, glabra, basim versus connata. Antherae parvae, subellipticae, basi emarginato-bifidae, apice in rostrum productae, dorso affıxae, erectae, biloculares, glabrae, secundum longitudinem dehiscen- tes. Rostrum (connexivum apice productum) erectum, longitudine antherae. Discus urceolatus, basim ovarii laxe cingens ipsoque multo brevior, integer, villosus, basim versus glaber. Ovarium superum, sessile, oblongum, hir- sutum, quinqueloculare. Ovula duo in quolibet loculo, oblonga, compressa, axi centrali affıxa, superposita, pendula, glabra. Stylus terminalis, erectus, longitudine staminum, lineari-subulatus, teres, glaber. Stigma (Fig. 3.) subcapitatum, albidum, glabrum. Fructus ignotus.

Arbor foliis alternis, coriaceis, integerrimis; pedunculis axillaribus vel terminalibus, dichotomis.

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V orbegriffe zu einer Cohasionslehre.

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BWEISS:

Erste Abtheilung.

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[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 28 Juni 1832.]

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D. die allgemeine Aufmerksamkeit der Physiker in den letzten Jahren sich der Cohäsionslehre mehr als je vorher zugewendet hat, scheint mir eine, durch die ausländische, wie durch die einheimische Literatur bewährte, sehr erfreuliche Thatsache zu sein. Das, was diese Lehre von dem verflofsnen Jahrhundert und seinen Vorgängern überkommen hatte, war allerdings, wenn auch gereiniget von sehr krassen Vorstellungen, die es früherhin etwa von Atomen mit oder ohne Häkchen gegeben hat, doch noch überaus dürf- tig und so beschaffen, dafs der Gegenstand, in Ermanglung andrer Vorstel- lungen, selbst nur trivial erschien und eben darum meist mit einer Kürze und Magerkeit nur obenhin behandelt wurde, welche die Geringschätzung eines allzu elementaren Gegenstandes, in welchem für die Forschung und für den Geist nicht eben viel weiter zu erwarten sei, genug verrieth, und die Physiker gegen Ende des vorigen Jahrhunderts vielmehr antrieb, in ganz andern Regionen der Physik neue Entdeckungen zu suchen und zu finden; worin denn früher die Elektricitätslehre und dann die neuere Chemie obenan standen, an der Grenze des neuen Jahrhunderts selbst aber ein Glanzpunkt von nie gesehener Schönheit, die Volta’ische Entdeckung, alles frühere über- strahlte, und mit hinreifsender Gewalt in diesen neuen fruchtbaren Strom der Forschungen und Entdeckungen fast alle Geister vorzugsweise hineinzog und von jedem entlegneren Gebiete die Blicke vielmehr ablenkte.

Nun stand zwar diese, Epoche machende Entdeckung, der Cohäsions- lehre eben nicht gar fern; denn Berührung des Fremdartigen war und blieb, wie für die Entstehung von Elektricität, so für die Volta’ische,

Phys. Abhandl. 1832. H

58 WeEıss:

Grundbedingung. Indefs überzeugt, dafs das Wesentliche der Sache nur in dem Dasein gewisser allgemein verbreiteter, eben hier nur zum Vorschein kommender, sonst latenter Maäterien specifischer Art sich vorstellen lasse, war man gewils weit entfernt, in der gegenseitigen Berührung fremdartiger palpabler Körper etwas mehr als eine äufsre Bedingung zu sehn. Dafs ein genügender Grund der Erscheinung in dem Acte der Berührung als solchem gefunden werden könne, hervorgehend aus dem Acte, welcher in jedem einzelnen Dinge selbst continuirlich vorgeht, und welcher somit mit seiner eignen Daseinsweise in engster Verbindung steht, ein solcher Gedanke würde gewifs nicht das mindeste Zutrauen gefunden haben; und darum wurde Elek- trieitätslehre und Voltaismüs gewifs am wenigsten auf Cohäsion bezogen, ob- gleich man sagen konnte, dafs der Galvanismus durch die Zuckungen der Muskeln schon auf eine sonderbare Weise die Cohäsionslehre geneckt hatte. Über die empirischen Forschungen der durch die Cohäsion bedingten inneren Bewegungen, war es an schwingenden Körpern Chladni gelun- gen, durch seine akustischen Versuche einen neuen Reiz zu verbreiten. Doch änderten dieselben an den Vorstellungen, welche man von der Beschaf- fenheit solcher inneren Bewegungen hatte, nichts. Vielweniger wufste sich etwa die physikalische Theorie der Musik von blofser Betrachtung von Zahlen- ge

{e)

der durch Cohäsion begründeten inneren Bewegung weiter nachzuspüren.

Ja diese »inneren » Bewegungen waren und blieben äufsere. Und äufsere

verhältnissen loszuwickeln, um etwa ihrem Ursprunge in dem Hergan

Bewegungen jeder Art wurden jederzeit nach Newton’s Weise unab- hängig von einem innern Hergang, nicht fliefsend aus einer innern Bewegung, als mathematische Gröfsen in die Materie schlechthin hineingesetzt. Das ein- zusehen, dafs hierin der Grund der Mangelhaftigkeit von so vielen Theorien liegen könne, das war ein Hauptpunkt, auf welchen es ankam; und über ihn konnte die Einsicht nur von der Seite tiefsten Nachdenkens kommen. Allerdings hatte sich ein solches mit Kant den Elementarlehren der Physik, und somit auch der Bewegungs- und Cohäsionslehre, ganz ernstlich zugewendet, und auch nach ihm einer und der andre denkende Kopf sich wohl der Cohäsionslehre insbesondre ernstlich und wo möglich tiefer einge- ganz neue Be-

8 leuchtung einer Sache, die man zu früh für abgethan und zur trivialen ge-

hend gewidmet; es durfte von solchen Anstrengungen eine

worden, gehalten hatte, wohl erwartet werden. Niemand konnte übrigens

FVorbegriffe zu einer Cohasionslehre. 59 8

von Kant, noch auch von denen, welche nach ihm den philosophischen Standpunkt der Sache mehr noch zu erfassen bemüht waren, eine Bereiche- rung unserer empirischen Kenntnisse der Cohäsionsverhältnisse direct er- warten; allein wir müssen bekennen, das Licht, was etwa von einem sol- chen Standpunkte ausgehen konnte, durchdrang auch das bekannte Empiri- sche, das vor Augen liegende jener Erscheinungen gar zu wenig mit einem neu erhellenden oder belebenden Geiste, um der Cohäsionslehre irgend eine wirkliche Wohlthat erwiesen, irgend eine neue Stütze und wahrhaft verbes- serte Grundlage gegeben zu haben.

Von Fortschritten der empirischen Kenntnifs der Cohäsionserschei- nungen mufste also vielmehr ein neues Interesse der Naturforscher für diesen Gegenstand erwartet werden. Und wirklich führte deren in das so eben be- gonnene neue Jahrhundert von einer gewissen Seite eine recht ansehnliche Zahl überraschend schöner und, man möchte sagen, zierlich aufgefundener Entwicklungen und harmonischer Darstellungen das für die Krystallisations- lehre Epoche machende Werk von Haüy ein, welche auch nicht verfehlen konnten, ihre völlige Wirkung und Anerkennung sogleich zu finden. Die Krystallisationslehre war neu wie geschaffen von Haüy, die Cohäsionslehre in ihr freilich nicht. Nur in ein specielleres Gewand gekleidet war und blieb sie die alte ganz des vorigen Jahrhunderts. Die Wirkung von Haüy war grofs auf genauere Krystallkunde und auf ihre Anwendung, zumal in der Mineralogie; aber gering oder verschwindend die Rückwirkung auf die Fun- damente der Cohäsionslehre; sie bestand etwa darin, dafs die Physiker in diesem Kapitel zugleich Haüy’sche Krystallographen zu werden anfıngen.

Was wir von unserer Zeit erwarten durften, die tiefen Anstrengun- gen unsrer mathematischen Physiker lenkten sich, neue Bahnen suchend und versuchend, auch wieder auf die Verschiedenheit der Cohäsions- zustände, wohl erkennend, dafs hierin noch so gut wie alles zu Ihun sei. Und da hier in der That die schöpferische Erfindungskraft von Mathemati- kern wie von Physikern noch sehr in Anspruch genommen wird, so würde noch eine sonderbar bunte Mannichfaltigkeit individueller Ansichten sicht- bar werden, wenn wir jetzt schon zusammenstellen wollten, was unsre Lite- ratur hiervon besitzt. Gewifs sind die Arbeiten unsrer lebenden mathema- tischen Physiker über die Cohäsionserscheinungen noch nicht abgeschlos-

sen, wenn gleich die verwandtesten Gebiete, wie die tiefsinnigen mathema- H2

60 Weıss:

tischen Untersuchungen über die Wärme, einen hohen Grad von Ausbildung erreicht haben.

Berthollet’s Untersuchnngen über die chemische Verwandtschaft würden allein hinreichen, in Erinnerung zu erhalten, was für die Cohäsions- lehre und das Ineinandergreifen von ihr und der Chemie als Problem gar wohl aufgestellt und erkannt, aber auch seinerseits noch zu lösen ist. Es fehlt nicht an einzelnen Fortschritten unsrer empirischen Kenntnisse, welche die Cohäsion unmittelbar betreffen. Möge denn die allgemeine Anerken- nung auch nicht fern sein, dafs alles, was in den letzten Decennien wahrhaft grofsartiges in der Physik entdeckt wurde, auch das, was der Cohäsions- lehre dem Namen nach noch nicht zu gelten schien, unverhofft einer voll- kommneren Cohäsionslehre vielleicht noch mehr vorgearbeitet hat; ich meine, es gilt dies von allen jenen grofsartigen Entdeckungen der letzten Decennien in der Physik; nicht allein von denen über das Licht seit Malus, wodurch altbekannte halbvergessne Thatsachen über die Natur des Lichtes und seine Beziehungen auf krystallinische Struktur wiederbelebt, durch die von ihm neuentdeckten Beziehungen in gleichem Sinne auf alle nichtkrystal- linischen Strukturen zu einer neuen Epoche erhoben und bald darauf durch die entoptischen Erscheinungen an den Krystallen und Nichtkrystal- len Schritt für Schritt so glänzend bereichert wurden; sondern nicht minder von Oersted’s, nur der Volta’ischen an die Seite zu setzenden Entdeckung des Elektro-Magnetismus; nicht minder von unseres Seebeck, der Oerste- dischen wie zum würdigen Gegengeschenk gemachten, des Thermo - Magne- tismus; von Arago’s, man möchte sagen, den innern beständigen Cohäsions- act in jeder mechanischen Bewegung noch mehr auf der That ergreifenden des Rotationsmagnetismus. Ich nenne, wie einleuchtet, auch hier nur die Stämme, und wer kennte nicht die vielen sich reich ausbreitenden Zweige dieser schönen Entdeckungen der jüngsten Zeit, wie der Gegenwart! So laufen, dünkt mich, alle die charakteristischen Fortschritte der heutigen Physik, jetzt auch die Elektrieitätslehre nicht mehr ausgeschlossen, neben sei- nem eigenthümlichen individuellen Werthe ein jeder, zugleich wie in einen gemeinschaftlichen Brennpunkt zusammen in eine neue Cohäsionslchre.

Dies letztere auszusprechen, mag Anstofs erwecken, da es etwas noch nicht Geleistetes anzukündigen sich gleichsam anmafst. Vielleicht gelingt es mir indessen, den Zusammenhang deutlich zu machen, in welchem diese

Forbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 61

Ansicht mit der ferneren Entwickelung dessen steht, was ich in meinen Be- mühungen, die krystallinische Struktur in ihr rechtes Licht zu setzen, da und dort, dem verwandtes ausgesprochen habe. Als ein äufserliches Zeug- nifs und als ein mehr geltendes, sei mir indessen erlaubt anzuführen, dafs unser verstorbner Seebeck den Schlüssel seiner und der verwandten Ent- deckungen durchaus in der Cohäsionslehre finden zu müssen, die völlige Überzeugung in sich trug.

Um einer solchen nun einige Bahn zu brechen, gehen wir von einer ersten Erörterung

8 Verständnifs auch mit denen, welche ganz und gar verschiedne Vorstellun-

aus, welche wir für nothwendig halten zum einleitenden

gen über die Sache selbst mit uns hegen; nämlich:

8.2. Von dem Unterschiede zwischen Adhäsion und Cohäsion.

Dafs die ältere, bisher herrschende Cohäsionslehre, einen wesent- lichen Unterschied zwischen Cohäsion und Adhäsion nicht besitzt, das wird von Jedem eingestanden sein; und die Folgerung, welche wir daraus zichen, ist: dafs somit diese vermeintliche Cohäsionslehre eine blofse Adhäsions- und keine Cohäsionslehre ist.

Anziehung zwischen benachbarten Theilen, welche von einander getrennt bleiben, auch wenn sie sich berührten, ist Ad- häsion, ist nicht Cohäsion. Nur in einem Stetigen, in welchem die Theile nicht getrennt sind, in welchem es keine Grenze des einen Thei- les gegen den andern giebt, nur da existirt Cohäsion; und ihr erstes Ge- schäft ist: die Grenze zu vertilgen, die Trennung zu vernichten, wo sie sie vorlindet an Theilen, welche der Cohäsion fähig sind. So flie- {sen zwei Tropfen in einen zusammen.

In der That, was geschieht, wenn zwei Tropfen eines Flüssigen in einen zusammenfliefsen? Für alle mögliche Beobachtung wird die Grenze unter ihnen aufgehoben. Sprechen wir es nur geradehin aus; denken wir es nur eben so einfach als streng: die Grenze zwischen ihnen ist ver- tilgt! sie wirdesin dem Moment derBerührung! Nicht genug, dafs die beiden Tropfen, gleichsam an einander geschoben, nur Contigua bilde- ten, wie zwei Verschiedene, die sich berühren! es entstehtein Continuum an der Stelle des Contiguum, d.i. die Grenze verschwindet und wird ver-

62 Weıss:

tilgt! es wird eine Vereinigung des Dies- und Jenseitigen einer solchen Grenze bewirkt! und dies ist das Werk der Cohäsionskraft!

Wenn umgekehrt ein fester Körper zerschlagen wird, was ist an der Trennungsstelle geschehen? es ist eine Grenze entstanden zwischen den jetzt von einander getrennten Stücken! Sagen wir uns es nur deutlich und bestimmt: diese Grenze existirte vorher nicht! im Innern des Körpers war sie keinesweges in der Wirklichkeit vorhanden! sie war es blofs in der Möglichkeit, nicht mehr und nicht weniger, als dem Geometer jeder gegebene Raum zwar möglicherweise Grenzen in seinem Innern zuläfst, fähig ist, Grenzen in sich eintragen zu lassen, ins unbestimmte und ins unendliche, der Gröfse, wie den Formen, der (Juantität wie der Qualität nach. Anders nicht, blofs der Möglichkeit, aber nicht der Wirklichkeit nach existiren, in dem erfüllten Raume, im Körper, Grenzen, und in deren Folge Theile und Stücke; anders nicht als im Raume selbst! seinem un- verläugbaren eignen Wesen zu Folge! Theilbar, aber darum nicht getheilt,

ist jeder Raum, nothwendig, seiner Natur, seinem Wesen nach, und ins un-

» endliche! das ist der erste grofse Grundsatz, anzuwenden und angewendet auch auf den erfüllten Raum, auf die Materie, von welchem unter uns ein Rückfall, mindestens seit Kant, denn doch nicht hätte statt finden sollen!

Getheilt wird der Raum, der es an sich nicht ist, der erfüllte, wie der unerfüllte, erst durch einen Act der Theilung, durch einen Act, der so oder so ausfallen, d.i. selbst unendlich verschieden sein kann. Die Stücke, die Theile folgen ihm. Wie er, so sie, gleich mannigfaltiger Be- schaffenheit, unendlich verschiedner Art fähig, unbestimmt vor dem Act, bestimmt erst durch ihn.

So der Körper, der zerschlagen wird. Die Stücke existirten als ge-

trennt, d.i. ihre Trennung existirte nicht, die Grenze nicht, welche der

8 Schlag erst zwischen ihnen erzeugt hat. In ihm aber ist eine Einheit aufge-

hoben worden (!), welche vorher existirte, eine Einheit, kraft welcher das

('!) Unsre Sprache gebraucht das Wort Einheit in einem doppelten Sinn. Einmal nennen wir jedes a, b, c eine Einheit in Bezug auf seinen Inhalt. Wenn wir aber in der Formel a+b=c aussprechen, dals der Inhalt gleich grols ist, wir mögen a und b getrennt oder vereint (in c) denken, so ist die Form von Einheit oder Einung, in welcher a und b im letzteren Fall ge- dacht werden, nicht bezüglich auf den Inhalt, sondern in dem zweiten Sinn, wie oben im Text verstanden; der Inhalt ändert sich nicht, diese Einheit (Vereinung) mag aufgehoben werden oder bestehen.

Vorbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 63

Diesseitige und Jenseitige in einander, ungetrennt war. Die weitere Erör- terung würde auf die fernere Auseinandersetzung dessen führen, was Grenze in der Natur ist. Die Mathematik wird in ihrer Anwendung auf Physik hier wohl zu beachten haben, dafs die Grenzen hier nicht als etwas un- wandelbar gegebnes, unveränderliches zu behandeln sind, sondern die Gren- zen ihrerseits entstehen und verschwinden. Die Physik aber wird über alles, was beim Zerschlagen vorgeht, über alle besondere Arten der mancherlei Körper, sich dabei zu verhalten, das Richtige nicht finden, wenn sie nicht er- kennt und als das zu erläuternde und zu verfolgende Problem aufnimmt und behandelt: dafs die Grenzen entstehen, wie es vor dem Auge des Physi- kers geschieht! dafs eine Einheit gespalten wird in einen Bruch! Wie- derum nicht anders, als die Summe der Brüche, in welche die Einheit, sei es in welcher unendlich beliebigen Weise, gespalten wird, gleich ist der Einheit, welche gespalten wurde, so geht zwar auch hier vom Inhalt der Einheit nichts verloren durch die Spaltung; doch aber ist dieser Inhalt durch und durch anders gestaltet; die Bruchtheile existirten vor der Spal- tung eben so wenig im Ungespaltenen, als das und F existirt in dem noch nicht gespaltenen 1 =-+ rete:

Ist aber der feste Körper einmal zersprungen in Stücke, so genügt es nicht, die Stücke nur wieder in Berührung zu bringen, um die verlorne Einheit zwischen ihnen herzustellen; sie bleiben Stücke; ein Conüguum werden sie darstellen; darum noch kein Continuum, adhäriren können sie und mögen sie an einander; cohäriren, wie vordem, nochnicht. Dazu wird erst ein neuer Act eintreten müssen; einer, der die Grenze zwischen ihnen vertilgt, die noch nicht vertilgt ist; die eben so fortbesteht, wie sie dem Geometer fortbesteht, wenn er zwei Dreiecke mit zweien ihrer Seiten an einander stofsend denkt, bis auch er seinerseits die Grenze wegnimmt zwischen ihnen, und beide Dreiecke in Eine Figur sich vereinigen läfst.

Ein solcher neuer Act wird es freilich sein wir behaupten nicht, dafs nur er die Vereinigung bewirken könne —: wenn die sich berührenden Stücke geschmolzen werden. Der flüfsige Zustand thut dann, was wir ihn thun sahen: er vertilgt dieGrenzen zwischen dem gleichar- tigen sich berührenden; er seinerseits duldet solche Grenze nicht; er vereinigt das Dies- und Jenseitige nothwendig und wirklich; er setzt eine neue Cohäsion zwischen dem vorher Getrennten ein, und bil-

64 Weıss:

det ein neues Continuum aus ihm; in Folge des wieder gebildeten Conti- nuums aber mag dann beim Wiedererstarren eine auf Gontinuität sich grün- dende starre Cohäsion auch wieder neu entstehen für die vorhin zerschla- genen, dann zusammengeschmolzenen Stücke:

Der Gegner, der nicht verstehen und nicht einräumen wollte, was, wie mich dünkt, hier ganz einfach ausgesprochen ist bei Sachen welche wirklich evident sind, ist Verstehen und Einräumen allerdings Eins; die Grenze zwischen beiden wird nicht geduldet, Verstehen könnte Adhä- sion sein, Einräumen ist Cohäsion im gemeinschaftlichen Denken der Gegner kann nur ein Atomistiker sein. Nachdem er nun seinerseits alles vorgetragen hätte, was er sich über die Cohäsion zwischen den Partikelchen in festen und flüfsigen Körpern vorstellt, die Grenzen zwischen den Parti- kelchen aber wohl hütend und aufrechthaltend, hätte er mir lediglich Ad- häsionsvorstellungen vorgetragen und ich würde ihm nun sagen: In den Par- tikelchen selbst, nicht zwischen ihnen, da steckt die Cohärenz noch. Ent- weder ist das Partikelchen ein irgend wirkliches, also irgend einen Raum ein- ncehmend; und dann ist in ihm noch immer die unvertilgbare unendliche Man- nigfaltigkeit im Innern jedes Ausgedehnten; und was es zu einer Einheit zusammenhält, ist seine Gohäsion. Also Cohärenz ist im Atom! Gewils nicht Adhärenz ; sonst sind es zwei! Cohärenz, sage ich, ist im Atom, so gewils ein Atom ist! Oder sollten die Atome nicht ausgedehnt, sollten es Punkte sein, so sehen wir sie freilich das Feld, den Raum selbst, räumen. In wielern aber Tendenz zur Ausdehnung dem Punkte noch zugestanden wird, möchte auch ihn die Cohäsion noch immer verfolgen und auch dort noch treffen. Folgerecht bleibt mir die Überzeugung unausweich- lich: esist das Schicksal der atomistischen Naturlehre, dafs sie die Cohäsion nie begreifen wird. So lange sie Atomistik ist, wird sie blofs Adhäsionserscheinungen da, wo Cohäsion ist, zu erblicken glauben, und also «den Gegenstand selbst verfehlen; oder in dem Augenblick, wo sie das Problem wirklich falst, wird sie die Bahn der Atomistik verlassen ; ich darf mich auf die Abhandlung über die Atomenlehre von unserm ver- dienten verstorbenen Collegen Fischer (!) beziehen, in welcher die Unhalt- barkeit der Atomenlehre, den elementarsten Thatsachen der verschiedenen

(') Abh. d. math. Kl. d. Ak. f. 1828, insbesondre von S.83 an.

F orbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 65

Cohäsionszustände gegenüber, so unumwunden ausgesprochen ist, dafs sie wohl von Niemand unerwogen bleiben dürfte, der auf dem früher gewohn- ten Wege noch eine wahrhafte Cohäsionslehre zu gründen hofft.

8. 3.

Betrachten wir die Trennungsstelle der Stücke des zerschlagnen festen Körpers weiter. Ein neuer Zustand ist hier eingetreten; ein Zustand von Unbefriedigung im Gegensatz des vorher in so fern befriedigten Zustandes. Vorher setzte die Masse sich stetig fort in der jJenseitigen; folglich setzte sich auch in ihr die jenseitige stetig fort. Und dies also nothwendig ist der Fall überall, wo Cohäsion ist. Sobald wir die Mannig- faltigkeit unterscheiden, welche überall in der stetigen Masse unterschieden werden kann und mufs wir unterscheiden sie aber räumlich, indem wir eine räumliche Grenze in ihr denken und einführen so sind wir auch ge- nöthigt ein Jenseitiges als gegenwärtig zu denken in einem Diesseitigen, bedingend dieses, wie bedingt vonihm durch einen Act, in welchem gar wohl die Richtung (der Thätigkeit) im Raume unterschieden wird, und diese als die umgekehrte sich ergiebt für das Jenseitige als für das Diessei- tige. Dahinwärts, wo jetzt das Jenseitige ist, befand sich an der Tren- nungsstelle vor der Trennung die Masse in dem Zustande, sich fortzuset- zen in ein Jenseitiges, das dessen fähig ist und seinerseits das nämliche thut in ihm. Und dies war eben sein Cohäriren mit ihm. Die Art und Weise, wie das eine sich im andern bedingt, und das andre bedingt in sich und auch wohl im dritten, kann noch sehr viele Verschiedenheit in sich fassen, und das möchte der Schlüssel zu den verschiednerlei Cohäsionszustän- den werden; das Allgemeine der Cohäsion mufs immer dieses ausgesprochne sein: gegenseitigsich bedingen zu einem gemeinschaftlichen, ste- tigen, räumlichen Dasein. Dies kann nur der Fall sein, wo die innere Natur des Dinges durch und durch in einem Auseinandertreten über- allhinwärts im Raum begriffen ist und besteht; wo nichts für sich isolirt und fertig und begrenzt in einem abgeschlossnen Dasein sein Wesen hat, sondern in einem unversiegbaren Acte innrer Trennung und Mannichfaltig- keitsentwickelung ins unendliche, gegenüber einem gleich unversiegbaren Acte beständiger Wiedereinung des beständig sich trennenden.

Phys. Abhandl. 1832. I

66 IWW: wir: !s%

Ausdehnung deren Begriff allerdings es schon inhärirt, eine räum- liche Mannichfaltigkeit in sich ins unendliche zu setzen Ausdehnung wird allerdings die erste Bedingung von Cohärenz sein; und nur mit einer gerei- nigten Theorie der Art, wie ein Ding im Raume ausgedehnt sein kann und ist, wird eine gereinigte Theorie der Cohäsion bestehen und Schritt halten können. Ohne eine gereinigte Aufstellung der Grundprinzipien der Natur- wissenschaft also ist freilich eine richtige Theorie der Cohäsion undenkbar. Dem Quantitativen der Ausdehnung steht Zusammenziehung oder Contrac- tion entgegen. Eben deshalb ist es das Quantitative der Ausdehnung oder Raumerfüllung noch nicht (wenn gleich eine Bedingung), worin die Cohäsion ihren direeten Gegensatz hat; es ist ein Qualitatives, was noch gekannt sein mufs, von innerer Mannichfaltigkeitsentstehung, Trennung, Sonderung, was mit dem @Quantitativen in der räumlichen Ausdehnung verknüpft und eigentlich das ist, was durch die Cohäsion geeinigt und gebunden wird. Es ist also eine innere qualitative Entwickelung, gleichen Schritt haltend mit der quantitativen in der räumlichen Ausdehnung, gleich nothwendig im Wesen der Materie gegründet, wie das Auseinandergehen in eine räumliche unendliche Mannichfaltigkeit, was gefordert wird als der nothwendige Grund und Boden für Cohäsion, falls wir diesen Namen, wie billig, ausschliefsend gebrauchen für den Act der Vereinigung, der in ihr liegt, und nicht etwa beides umfassend, auch sein Widerspiel, ohne welches er freilich nicht sein könnte und nicht sein würde.

Es ist also nicht allein eine gereinigte Theorie der Raumerfüllung, so wie sie Kant versuchte, was wir für die Grundlage einer richtigen Cohä- sionslehre in Anspruch nehmen, sondern auch etwas, worauf Kant gar nicht ausging, da er sich nur eine Untersuchung des (Juantitativen in der Raum- erfüllung zum Gegenstande mächte; von diesem aber ist die Cohäsion offen- bar nicht direct abhängig, da der erste Unterschied, auf welchen wir bei ihr stofsen, der des Starren und des Flüfsigen, auf ihn nicht zurückgeführt wer- den kann; es gereicht Kant wahrhaft zur Ehre, dafs er keinen Anstand nahm zu bekennen: aus seinen Grundlehren über Raumerfüllung könne der starre Zustand nicht abgeleitet werden; aus ihnen sei vielmehr nur der flüfsige direct begreiflich.

Forbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 67

8.4.

Eine solche Duplicität, wie das Diesseitige und Jenseitige oben un- terschieden wurde, mufs auch in der mathematischen Ebene als die entge- gengeselzten Seiten (gleichsam als das Rechts und Links derselben) noth- wendig unterschieden werden, obgleich die Ebene für diesen Unter- schied keine Ausdehnung hat, vielmehr der Unterschied blofs Unter- schied und directer Gegensatz der Richtung ist in einer Dimension, in welcher der Ebene gar keine Ausdehnung zukommt. Richtung also ist früher vorhanden als Ausdehnung, und geht ihr vorher; sie kann als Tendenz zur Ausdehnung angesehen werden. Eine solche Duplieität wird indefs keinesweges erschöpfen, was von innerem Gegensatz oder innerer Mannich- faltigkeitssetzung als Träger der Cohärenz gefafst werden mufs. Auch bei der Richtung Gegensatz in einer und derselben Linie anschaulich, aber nicht anwendbar auf die Mannichfaltigkeit der Richtungen selbst. Duplicität ist nur als ein- zelner Fall in der Mannichfaltigkeit überhaupt enthalten; sie ist ein zu ver-

einzeltes Verhältnifs, als dafs in ihm das Prinzip oder Schema innerer Man-

ist die Duplicität zwar einfach, und rein polarisch, in jenem

nichfaltigkeitssetzung überhaupt richtig ausgesprochen sein sollte. Der Dua- lismus oder die Polarität, wenn sie nur so verstanden wird, möchte also zum Verständnifs der innern Entwickelung, an welche die Cohäsion gebun- den ist, ebenfalls nicht ausreichen.

Wenn irgendwo in dem Ausgedehnten nach Belieben auf den einzel- nen mathematischen Punkt innerhalb desselben, und was in diesem vorgeht, reflectirt wird (— seien wir uns also gleich wohl bewufst, was wir thun —) so kann die Rechenschaft über ihn nur so ausfallen: Überallhinwärts von ihm aus, also nach der ganzen Unendlichkeit von Richtungen hin strahlend wie das Licht, hier noch im dunkeln Keime ist jene Thätigkeit vonhieraus. Die räumliche Form eines solchen Gegensatzes, in Bezie- hung gedacht auf irgend einen Punkt, kann zunächst nur sein, die des Ge- gensatzes des Punktes zur Unendlichkeit, die ihn umgiebt; Gegensatz von Centrum zu Peripherie. Aber erstens: jeder Punkt der Periphe- vie ist alsogleich eben so Centrum, seinerseits im Gegensatz zu Periphe- rie, wenn, wie hier, von erfülltem Raume die Rede ist, und nur auf den einzelnen Punkt in ihm die Reflexion geleitet wird. In dem, was im er- füllten Raume vorgeht, ist alles sich gegenseitig das eine und das andere.

12

68 Weıss:

Zweitens müssen wir dessen eingedenk sein, dafs der Punkt nicht ein Theil des erfüllten Raumes, nicht ein Stück der Materie, sondern weiter nichts ist als eine Abstraktion an ihr, wie wir sie beliebig machen und zu machen befugt sind; wodurch wir zwar ganz richtig ein Verhältnifs, eine Seite, eine Eigenschaft an ihr schildern und verständlich machen können, mit dieser Schilderung aber noch immer ins Leere greifen würden, wenn wir sie als selbstständig für sich isolirt, und nicht vielmehr an dem erfüllten Raume, an der gegebnen Natureinheit denn das ist der Punkt nicht betrachteten. Die wahre Realität erhält sie vielmehr erst durch die Bezie- hung auf das, woran sie abstrahirt wird, durch die erkannte Begründung inihm, von welchem sie nicht ein Element, sondern nur ein Verhält- nifs darstellt. Drittens aber möchten wir es noch nicht für erwiesen hal- ten, dafs der Gegensatz von Peripherie und Centrum, von Unendlichkeit und Einheit, einerseits mit dem Punkte als einer absoluten Einfachheit ab- geschlofsen sei; vielmehr könnte der Punkt in seinem Verhältnifs zur Peri- pherie, auch nur ein Durchgangspunkt sein, jenseit dessen das wahre Verhältnifs des Gegensatzes sich fortsetzte und eine zweite Seite desselben wiederum einer räumlichen Unendlichkeit entsprechen könnte, der periphe- risch strahlenden 'Thätigkeit, als ein negativ Unendliches einem positiv Un- endlichen, gegenüber. So möchte sich diejenige Seite des Daseins der Ma- terie begreifen lassen, welche offenbar auf den Raum, den sie erfüllt, nicht eingeschränkt ist wie die allgemeine Anziehung selbst.

S.5.

Was den Zustand der Oberfläche des Körpers im Gegensatz gegen sein Inneres betrifft, so scheinen ihrer Beachtung auch von der empirischen Seite überraschend neue Anregungen entgegen zu kommen, wie Brewster's Arbeiten (Philos. Trans. 1829. 1,187. segg.) und seine Ankündigung einer be- sonderen Abhandlung „von der Wirkung der Oberfläche der Körper als einem allgemeinen mineralogischen Kennzeichen,” sein darauf gegründetes Lithoskop u. s. w. versprechen. Er scheint Zustands- Veränderungen der Oberflächen beobachtet zu haben, welche keine materiellen Veränderungen waren, obwohl man geneigt gewesen wäre, sie dafür zu halten; sie schienen ihm so wenig erklärbar, dafs er in die Worte ausbricht: „ein unbekanntes physika- lisches Prinzip müsse die Ursache aller dieser Erscheinungen sein.”

Forbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 69

Ganz gewifs strebt die Masse an der Oberfläche über diese ihre Grenze hinaus; befriedigt, erreicht ist das Ziel ihres Strebens hier nicht; nur ge- hemmt ist ihr Sich-fortsetzen im Andern; dies aber ist ihre unvertilg- bare Eigenschaft. In ihrem Innern wird ihr das; an der Oberfläche trift sie ein Anderes, das fähig wäre sie fortzusetzen und von ihr fortgesetzt zu wer- den, nicht mehr. In allen den Richtungen auf ein Jenseits der Oberfläche wird ihr das versagt; sie trift auf ein Fremdartiges, dessen nicht fähig, wohl aber, dafern es nicht das Leere ist, eines anderen, gleichwerthigen Prozefses, unvereinbar mit diesem, beiderseitig sich ausschliefsend, aber auch dies bedingungsweise, theilweise, nicht unbedingt. So ist der beson- dere Zustand, der Conflict an der Oberfläche. Er trift wieder nicht einen aliquoten Theil der Materie; denn die Oberfläche ist kein aliquoter Theil von ihr, so wenig als von dem Raume, den sie einnimmt. Er trift vielmehr die Masse an der Oberfläche, als einer blofsen abstrahirbaren Seite, einem Verhältnifs, nicht Theil von ihr. Dafs dieser Conflict Wirkungen haben müsse, die gar wohl unter andern auch von der Dauer bedingt sein können, wer möchte dies nicht im voraus erwarten! Wirkun- gen, die wiederum nicht einen aliquoten Theil der Masse verändern, keine materiellen Veränderungen, sondern reine Zustands- Veränderungen der nämlichen Materie sind.

Der Zustand, abhängig von dem Conflicte der Oberfläche, wird aber selbst sich nicht auf die Oberfläche einschliefsen lassen. Rückwir- kung ins Innere von demjenigen Theile der Thätigkeit, welche jenseit der Oberfläche nicht aufgenommen, zurükgewiesen wurde, verbunden oder nicht verbunden mit einem eben so theilweise von der Thätigkeit des Jensei- tigen Aufgenommenen, welche sich ihrerseits in der Oberfläche eben so, auch qualitativ, spaltete, wird eine unausbleibliche Folge sein, den Zustand des Innern modifieirend, wie etwas, das, auch abgesehen von irgend etwas eingedrungenem Fremdartigen, gleichsam in sich erbebt, ohne deshalb ma- teriell verändert zu sein. Und dies wird wieder von einer Grenze bis zur an- dern dringen müssen; ähnlich jenen mechanischen Bebungen, erzeugt durch mechanischen Conflict und Spannung der Oberfläche, und fortgepflanzt von einem Ende zum andern im Innern, so dafs der Zustand der Theile durch- gängig abhängig ist von dem des Ganzen, ‚und ein stetiges Ganze es ist, was, nach erfahrner vollständiger Rückwirkung von allen seinen Grenzen, seinen

70 Wırtss;

Theilen die Knoten- und Expansionspunkte und - Stellen anweist, wo und wie die innere Vibration sich einsetzen mufs, um tönend zu werden.

Prästabilirte Punkte für die bei der Schwingung eintretenden Thei- lungen giebt es nicht; sie entstehen vielmehr erst selbst im Momente nach den Umständen, und werden mit aller Freiheit überallhin anders verlegt mit jeder eintretenden modificirenden Bestimmung. Das Äufsere einer vor- wärts und rückwärts gehenden oscillirenden Bewegung aber ist es gewils nicht, vielweniger das Hin- und Herschaukeln der Atome, was uns vom Tö- nen der erschütterten bebenden Masse den richtigen Begriff giebt; hier, wenn irgendwo, ist allein in dem Prinzipe des innern Actes, von welchem die räumlich vibrirende Bewegung die Folge ist, im Prinzipe, sage ich, in der Wahrnehmung des inneren Gesetzes, gleich der Richtung, noch ehe es zur ausgedehnten Gröfse kommt, das Wahre zu suchen, was der Ton für das Ohr, für den Menschen ist. Denn nicht dafs eine äufsere Bewegung der und der Art so und so oft in einer gegebenen Zeit sich wiederholt hat, macht den Ausdruck des Tones aus; sondern das angeregte innere Wahrneh- men eines Gesetzes, welches eine solche Bewegung hervorrufen will, und das angeregt werden kann auch durch das unvollkommenste Gelingen; eines Gesetzes, von welchem vielmehr der Erfolg, als es vom Erfolge abhängt.

So wie nur ein inviduell Begrenztes, durch die gleichzeitige und von ein- ander abhängige Rückwirkung von allen seinen Grenzen, in sich tönen kann, so ist esein von der Oberfläche rückwärts gerichteter Act innerer Bewegung überhaupt, welcher, gleichzeitig mit dem vorwärts gerichteten, fortgepflanzt durch das Ganze, abermals eine Oberfläche trift und von ihr zurükgeworfen wird und so fort ins unendliche und in bestimmter Weise nach Ausdehnung und Form, was das Unorganische, innerlich gleichartig gedachte, wirklich zum Individuum abschliefst und diesem nicht blofs eine nur äufserliche Be- deutung durch räumliche Begrenzung, sondern eine an den inneren Zustand selbst gekettete Bedeutung giebt. Die Glocke, auch ehe sie tönt und sie tönt nur als das bestimmt begrenzte Individuum, trägt das Gesetz des innern Verbandes, nach welchem sie tönt, thätig in sich, und spricht ihre Indi- vidualität gleichsam durch ihren stummen 'Ton schon aus.

Die Berührung des Fremdartigen, das versuchte und gehinderte, theilweise (in qualitativem Sinn) auch bei stärkster Negation nicht völlig ausgeschlofsne, Eindringen und Einwirken eines qualitativ Andern, mit

Vorbegrifje zu einer Cohäsionslehre. 71

seinem andern inneren Gesetz, nach welchem es ein Anderes fortsetzen und fortpflanzen möchte in dem Berührten, auch dieses ist ein continuir- lich fortgehender Act, überall wo zwei Heterogene sich berühren. Der Zustand, in welchen jedes durch das andre versetzt wird, mufs ein eigen- thümlicher, zunächst an der Oberfläche sein, und abhängig von der beson- deren Qualität und dem gegenseitigen Verhältnifs der Berührenden Beiden; der in jedem verursachte Zustand mufs in besondrer Beziehung und Entge- gensetzung sein gegen den Andern. Es entspricht dies völlig dem elektri- schen Zustand denn eben an die Berührung des Fremdartigen ist dieser ja durchaus gebunden. Und jenes Streben der Masse über ihre Grenze hinaus legt seine Realität jetzt, wo es zur elektrischen Spannung wird und sich bis zum elektrischen Funken steigert, bedeutungsvoller an den Tag. Was vorhin qualitativ gleichgeltend war an dem Diesseits und Jenseits, dem Rechts und Links der Berührungsebenen, das ist specifisch verschieden ge- worden durch die verschiedene Qualität der sich Berührenden, und fällt zu- sammen mit dem Unterschiede der beiden Elektricitäten.

Was wir qualitativ nennen, dürfen wir übrigens nicht zu früh als über- all identisch denken mit chemischer Qualität; denn es möchte sich finden, dafs manches qualitativ unterschieden werden mufs, was wenigstens dem Sprachgebrauch nach nicht füglich chemisch verschieden genannt werden dürfte. Wir fassen den Begriff des qualitativ Verschiedenen in gröfster All- gemeinheit, so dafs immer das Chemische in ihm, nicht umgekehrt überall auch er im Chemischen aufgehe.

Dafs der chemische Vereinigungsprozefs da eintritt, wo in der Berüh- rung des Verschiedenartigen die Grenze nicht aufrecht erhalten wird, und somit der elektrische Zustand auch wieder aufgehoben wird, der gerade in der fortdauernden Trennung bei der Berührung seine Quelle hatte; dafs ferner beim chemischen Vereinigungsprozefs das eine wirklich im Andern, auch qualitativ Anderen sich fortsetzt, wie dies in ihnı, und beide sich wahr- haft durchdringen und vereinigen; dafs keine anderen Vorstellungen von chemischer Verbindung dieser Reihe von Betrachtungen angemessen sein können, ist für sich klar.

Das Feld des chemischen Unterschiedes in der Natur als nicht unsere Aufgabe vor uns liegen lassend, kehren wir vielmehr zu demjenigen qualita-

12 Weıss:

tiven Unterschiede zurück, der in der verschiednen Cohäsionsweise, d. i. in den verschiedenen Cohäsionszuständen zu beobachten ist.

8.6.

Von den verschiedenen Cohäsionszuständen.

Wer noch den Namen Aggregatzustände für die verschiedenen Cohäsionszustände gebrauchen kann, und, wie es jederzeit geschehen ist, in einem dem Worte entsprechenden Sinn, der spricht damit die gänzlich verschiedene Vorstellung gegen den Sinn unsrer bisherigen Betrachtungen bezeichnend aus. Schon der Name für die Sache unterscheidet die Denk- weise, die den Naturforscher leitet, hier vollkommen hinreichend. Wir haben es eben nicht mit einem Aggregate, wir haben es, wie in den sämt- lichen Elementarlehren in der Naturwissenschaft, mit einem stetigen In- nern zu thun, im Flüfsigen so gut wie im Starren, im Starren so gut wie in jenem; und in einem solchen suchen wir die Unterschiede von Festigkeit und Flüfsigkeit und von allem was davon abhängig ist, in der Art und Weise, in dem verschiedenen Gesetze des innern Cohärirens ferner zu begreifen.

Die Möglichkeit ganz verschiedner Cohäsionsweisen zeigt sich einleuch- tend schon durch die Unterscheidung der Möglichkeit gleichförmigen und ungleichförmigen Verhaltens der Masse hiebei; ungleichförmig aber kann es sein bald beides vielleicht oder eines nur —inRaum und in Zeit.

Das darf ich jetzt als hinreichend anerkannt, und als einen Grundbe- griff allgemein genug, wenn auch vielleicht immer nur von Wenigen in sei- ner Reinheit aufgefafst, doch ziemlich feststehend in der heutigen Naturlehre ansehen: dafs der krystallinische Zustand einer Masse, seiner Grundei- genschaft nach, in nichts anderem bestehe, als darin: dafs die Masse ver- schieden wirkt nach den verschiedenen Richtungen im Raume; und das mit einem bleibenden, bestimmten Unterschiede, welcher gegensei- tig gegen einander ar die verschiedenen Richtungen gebunden ist. Mit ihrer absoluten Lage im Raume hat es dieser Unterschied nicht zu thun; man kann die krystallinische Masse bekanntlich nach Belieben drehen und wenden, so dreht man die Lage der einzelnen sich verschieden verhalten- den Richtungen beliebig mit; gegenseitig nur sind sie an einander gebun- den, und das verschiedenartige Verhalten in ihnen wechselseitig von einan-

der abhängig.

Forbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 16)

Offenbar ist dies ein ganz andrer Zustand, als ein solcher: wo die Masse nach allen Richtungen im Raume gleichförmig sich ver- hält und wirkt. Mit einem innern Zustand der letzteren Art kommen die Eigenschaften des Flüssigen, des luftförmigen sowohl als des tropf- baren, unverkennbar überein; und wir sind wohl befugt, höchstens mit Vorbehalt einer noch anzubringenden Correction, dieses Bild dem flüs- sigen Zustand als Grundbild unterzulegen. Es ist allerdings hier noch ein Punkt aufzuklären, der unter allem bekannten das einzige ist, was man der unbedingten Anerkennung dieser innern Natur der Flüssigkeit entgegenstellen kann; nemlich die Wirkung gewisser Flüssigkeiten (ätherischer Öhle) gegen das Licht. Allein man möchte die Natur der Sache sehr verfehlen, wenn man sich daraus schon den allgemeinen Schlufs erlauben wollte: die Flüs- sigkeiten verhalten sich wirklich nicht indifferent nach allen Richtungen im Raume. Die Gesetze der Hydrodynamik gründen sich darauf; alle andern physischen Eigenschaften der Flüssigkeiten, auch die gegen das Licht ein- geschlossen, bewähren sie, und sind zum Theil ohne sie nicht denkbar; die besondre Aufgabe, welches jene einzelne merkwürdige Factum betrift, wird seiner Zeit sich lösen lassen. Wir kommen, wenn anders die Fort- setzung der gegenwärtigen Arbeit gestattet wird, in der Folge auf diesen Punkt zurück.

Gegenwärtig wollen wir uns befleissigen, den krystallinischen Zustand, der so augenscheinlich reich ist an verschiedenartigem Verhalten nach ver- schiednen Richtungen des Raumes, vollständiger und genauer in seinem In- nern zu schildern, eben der Ungleichheit nach, in welchen Beziehungen es sei; denn bekanntlich äufsert sich eine krystallinische Masse in den man- nichfaltigsten Beziehungen verschieden nach den verschiedenen Richtungen hin: wie in der Stärke des Cohärirens selbst, in der leichteren oder minder leichten Trennbarkeit, in den Graden der Härte, gröfserer und geringerer Elastieität, in ungleicher Ausdehnungsfähigkeit durch die Wärme, Gegensatz im electrischen Verhalten bei Temperaturveränderung; und zumal in welcher Eigenthümlichkeit und Mannigfaltigkeit in Beziehung auf Fortpflanzung des Lichtes!

Gewisse Richtungen sind offenbar die differentesten unter sich; in sie fallen gewisse Maxima und Minima der Wirkungen, alle andern sind von

Phys. Abhandl. 1832. K

74 Weiss:

ihnen abhängig; das ganze System räumlicher Richtungen aber in seiner Un- endlichkeit wird davon umfafst, individualisirt und gegliedert!

Dafs in der Mehrzahl aller krystallinischen Structuren alles zurück- kommt auf die Art und Weise, wie eine solche sich verhält in drei auf- einander rechtwinklichen Richtungen im Raume, das ist eingestan- den! denn es umfafst dieser Fall unläugbar sowohl die binären (2- und 2gliedrigen) als die quaternären (4gliedrigen) und das besonders häufige reguläre (gleichaxige, gleichgliedrige) Krystallsystem. Dafs in einem zweiten Falle alles zurückkommt auf ein Verhältnifs von drei unter sich gleichen, in Einer Ebene unter 60° sich schneidenden, gegen eine vierte, auf ihnen gemeinschaftlich senkrechte Dimension, ist wohl eben so anerkannt; und dafs diesem Falle nicht allein die senären (Ögliedrigen), sondern auch die rhombo&@drischen oder ternären Systeme wirklich untergeordnet sind, darf ich noch als einleuchtend genug voraussetzen. So war damit wohl ein Aus- gangspunkt für die Betrachtung der krystallinischen Structur gewonnen, von welchem ich annehmen kann, dafs auch diejenigen es eingesehen haben, dafs er aller strengern Theorie zum Grunde zu legen, und einiges Licht über die Sache zu verbreiten im Stande sei, welche eine weitere Anerkennung des erstgenannten Gesetzes für andere offenbar nahverwandte Fälle nicht einräu- men, und von allerlei schiefwinklichen Axensystemen, statt der rechtwink- lichen sprechen.

Ich bin weit entfernt, durch das Resultat der letzten 10 Jahre von der Unhaltbarkeit des Prinzips überzeugt worden zu sein: dafs die Elemente aller und jeder krystallinischer Structuren in den einfachen oben angegebnen beiden Hauptfällen wirklich gegründet sind; und weit entfernt zu glau- ben, dafs die vermeintlich abweichenden schiefwinklichen Axensysteme der Sache in gleichem Maafse auf den Grund gekommen wären. Allein hierüber giebt es noch widerstreitende Meinungen. ‘Mögen die, welche die meinige nicht theilen, das nur als einen speciellen Fall krystallinischer Structur an- sehen, was ich für den allgemeinen!

Gewifs also giebt es Fälle, wo auf drei untereinander rechtwinkliche Richtungen, oder auf das Verhältnifs einer gegen drei andere, dann unter sich gleiche und gemeinschaftlich auf der ersten senkrechte, in der Rech- nung wie in der Beobachtung alles zurückkommt, was die Eigenthümlichkeit des Verhaltens der Substanz in jeder physikalischen und krystallographischen

Forbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 75

Beziehung betrifft. Aber es würde ein sogleich sich selbst verrathender Irrthum sein, in diesen sich auszeichnenden Linearrichtungen, darum die Maxima der Unterschiede des Verhaltens zu suchen. Im Gegentheil: in ihnen kann Gleichartigkeit des Verhaltens, einiger oder aller, das Grundgesetz sein, wie es im zweiten Fall schon ausgesprochen ist, im ersten aber die wesentlichsten Unterschiede solcher Systeme ausmacht. Alsdann ist, z.B. bei der Gleichartigkeit aller, jede mittlere Richtung zwischen ihnen dreien, eine solche, in welche das Maximum des Unterschiedes im Verhalten, verglichen mit dem in den drei ersten fällt. Ein relatives Maximum des Unterschiedes findet sich zwischen je zwei in einer mittlern Richtung; und so fort und fort in allen neuen Mittleren. Diese krystal- lonomisch mittleren Richtungen aber sind nicht identisch mit denen der Mechanik; sie fallen nicht in die Diagonale des Parallelogramms der be- wegenden Kräfte, wenn man sich die zusammensetzenden als solche denkt; sie sind im Gegentheil senkrecht auf der Hypothenuse, welche die End- punkte der beiden zusammensetzenden, wenn sie von einem gemeinschaftli- chen Punkte aus wirken, verbindet; so wie senkrecht auf der Ebene, welche alle drei Endpunkte der drei verschiedenen verbindet, wenn drei concurriren. Solche mittlere Richtungen sind aber der Anlage nach ins unendliche fort gegründet, und es frägt sich daher, wie weit die Realität einer solchen sich aus- sondernden Individualisirung und Gliederung der Richtungen sich fortsetzt, oder wo etwa sie von einem doch in der sich gliedernden Masse nie ablassen- den gleichzeitigen Streben nach Gleichartigkeit begrenzt wird und ein end- liches Ziel erreicht; denn beide bleiben im Confliet mit einander: das Streben gleichartig sich zu verhalten, welches ursprünglicher und unvertilg- bar ist, und eine Differenzirung, welche sich in dem Gleichartigen ein- setzt, als eine neue Bestimmung, nicht als eine Aufhebung seines Wesens, so dafs eine Aussonderung von Einzelnheiten aus der Totalität der Richtun- gen, freilich aber innerhalb der Totalität selbst immer, geschieht. Und in einem solchen reellen, der Aussonderung von Einzelheit Grenze setzenden Conflict, befindet sich nothwendig und unausweichlich die allgemeine Anziehung mit der krystallinischen Structur in derselben Masse, welche darum, dafs sie die letztere annimmt, nicht aufhört, jener unterwor- fen zu sein. Eine mittlere Richtung hervorzubringen in dem Sinn, welchen die mittlere in der krystallinischen Structur erhält, mit gleicher K2

76 WiEıss:

Ausschliefsung gegen die andern, statt eines stetigen Überganges in sie, das ist noch nicht eine Folge schlechthin vom Dasein der ersteren; es ist ihr besonderes Werk, abhängig von dem relativen Maafse ihrer Kräfte dafür, verglichen mit dem der widerstrebenden.

Was in jeder einzelnen, gegen die andern sich unterscheidenden, Richtung oder Dimension vorgehe, wird zwar einestheils unter dem Schema von Dualismus oder einfach sogenannter Polarität erscheinen, den entgegen- gesetzten Richtungen in einer und derselben Linie entsprechend, ein + und ein —, in gewissen Fällen, wie bei der thermo -electrischen Beschaffenheit, recht offenbar positive und negative Pole darbietend, und entgegengesetzte Eigenschaften an die doppelte Richtung in der Linie gekettet. Aber dieses dualistische Verhältnifs auch in der Structurlinie erschöpft nicht. Erstens scheint die Mehrzahl der Fälle vielmehr eine physikalische Gleichartig- keit des Verhaltens an beiden Enden der Linie darzuthun statt jener thermo- electrischen Entgegensetzung. Alsdann könnte ein solcher Gegensatz, wenn er existirt, nur in dem des Mittelpunkts gegen die Endpunkte, des Innern gegen das Äufsere, gesucht werden (denn etwa zwei solche Polaritäten um- gekehrt durch dieselbe Linie von einem Endpunkte bis zum andern gedacht, würden doch nichts weiter thun, als einander gänzlich aufheben). Nun dürften wir uns aber wohl erinnern, dafs der ursprünglichste Gegensatz im Dinge nicht der des Dualismus von Eins gegen Eins, sondern, wo wir eine Eins haben, von ihr zur Totalität oder Unendlichkeit ist, um uns erwarten zu lassen, dafs der Gegensatz, der Hergang, wie wir ihn auch nur in der einen Linie zu begreifen versuchen, doch nur Bezug auf die Totalität der Richtungen, aus welcher er stammt, haben und also reel auch an der Linie nicht begriffen werden könne, ohne dafs zugleich Rechenschaft gegeben wird, was, mit gegenseitiger Abhängigkeit hierbei, in der Totalität der Richtun- gen vorgeht; und da haben wir denn sogleich die Seiten der Structurlinie, erst ganz im allgemeinen die Totalität anderer Richtungen begreifend, dann individualisirbar, wieder Einzelnheiten mit Eigenthümlichkeit aus sol- cher Totalität ausscheidend, wie die Seiten des Lichtstrahles, welche wir als ursprünglich indifferent, jetzt auch als eines wesentlich differenten Zustandes fähig, erkennen gelernt haben. Die Seiten einer Linie also sind etwas schr reelles, physikalisch bedeutsames, und in sich eben auch differenzir- bares, und in der Wirklichkeit differenzirtes, in Structur sowohl als im Licht,

Vorbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 77

das im Conflict mit ihr oder mit dem Körper überhaupt gerathen ist, wie das + und einer im gewöhnlichen Sinn als polarisch gedachten Linie irgend das Beispiel einer innern (und stetigen) Differenzirung dargeboten haben möchte. Und nicht das Licht allein hat jetzt die physikalische Bedeutsam- keit der Seiten an der Linie sonnenklar gemacht; die Oersted’sche Entdek- kung hat dieselbe in der magnetisch-polarischen Linie eben so an den Tag gelegt. Dafs dieses aber ein Wesentliches an der Sache ist, diese Überzeu- gung freute ich mich in meinem Freunde Seebeck wiederzufinden; und sie wird es verständlich machen, wie auch er die directeste Beziehung auf Cohäsion in jenen neuen Entdeckungen der Physik schen konnte. Wenn es also auch den Anschein haben konnte, als seien in der krystallinischen Structur z.B. die Vorgänge in drei aufeinander senkrechten Richtungen jeder für sich zu betrachten, so kommt dennoch jeder auch wieder im andern selbst als Seite desselben in Betrachtung, und ohne dieses würde kein Verständnifs, auch dessen, was nur die eine Linie betrifft, zu Stande kommen können. Was aber z.B. für die drei aufeinander senkrechten Rich- tungen gilt, das gilt natürlich von allen und jeden erdenklichen Richtungen, jede nach ihrem Werthe; ja es gilt nothwendig für jede einzelne Linie, nicht blos in Beziehung z.B. auf zwei andre auf ihr senkrechte; denn die Linie hat nicht blos diese beiden Seiten; es gilt für jede in Bezie- hung auf alle, eine jede darunter nach ihrem besondern Werthe; es gilt für die Linie nach der Totalität ihrer Seiten. Das also kann jetzt wohl nicht mehr der nöthigen Klarheit ermangeln: wie gegenseitig sich bedingend alles ist, was in der krystallinischen Structur nach allen den verschiedenerlei Richtungen vorgeht. In Bezug auf das darin Vorherrschende nach gewissen Hauptrichtungen, möchte ich den Vorgang in den drei Rich- tungen aussprechen mit einem: Wenn so dann! oder den Fall des drei-und-einaxigen mit einem: Wenn so dann und! wie dieser Ausdruck recht gut auch den Rhythmus bezeichnen könnte, wenn wir auch im ersten Fall fortschreiten wollen von der Bezeichnung des Hergangs in den drei Grunddimensionen zu denen in den abgeleiteten. Ein ähnliches: Wenn so dann und möchte auch auf das Licht anwendbar sein, dessen Strahlung selbst auf die Abhängigkeit von dem, was in seinen Seiten vorgeht, angewiesen ist, die Art und Weise der Strahlung aber auf das, was in den Seiten verschiedenes vorgeht.

73 Weıss:

Noch in einer besonderen Beziehung habe ich von dem verschiednen physikalischen Verhalten der Seiten in den Linien der krystallinischen Struc- tur, nemlich in Beziehung auf Bildung oder Nicht-Bildung, Position oder Negation neuer krystallinischer Mittelrichtungen, als nicht blos mathema- tisch vorstellbar, sondern physikalisch in Wirklichkeit tretend, vor gerau- mer Zeit gehandelt, und eben darin die Quelle alles Hemiedrischen in der krystallinischen Structur nachzuweisen gesucht. Jetzt nachdem die ein- greifenden physikalischen Vorstellungen geläufiger geworden sind, nachdem nicht allein das Licht, was ehemals rein linearisch betrachtet wurde, dies jetzt nicht mehr kann, sondern die magnetische Linie eben so wenig, darf auch ein allgemeineres Verständnifs dieses wichtigen Punktes der krystallini- schen Structur gehofft werden.

Was nun aber den Dualismus selbst betrift, welcher sich in der Structurlinie, oder in der Linie überhaupt findet, so wird er uns nunmehr, statt für ursprünglich zu gelten, vielmehr durch die Negation in der Seite, gegenüber der Position in der Linie, als abgeleitet aus dem ursprünglichen Verhältnifs gegen die Totalität, und immer ein beson- deres Verhältnifs in ihr bleibend, erscheinen, welchem gegenüber bei einer andern Art und Weise von Negation in den Seiten, Position in den Richtun- gen, auch eine Drei statt einer Zwei u.s.f. entsteht, überhaupt in anderem Zahlengesetz die Totalität zur Individualität gegliedert wird. Finden wir aber, wie bei der thermo- electrischen Beschaffenheit den ungleich-polarischen Zu- stand nach den entgegengesetzten Richtungen, so erscheint uns dies als ein noch weiter abgeleitetes Verhältnifs, als ob nemlich, nachdem in dem ur- sprünglicheren von Punkt gegen Peripherie, die Linie wie entstanden war durch Negation in den Seiten und Auszeichnung entgegengesetzter Punkte in der Peripherie, so nun, indem gleichsam einer dieser Peripheriepunkte, d.i. eine Hälfte des gegebenen Verhältnifses weicht, der Centrumpunkt, um wel- chen das Verhältnifs entstanden, an seine Stelle tritt.

Die Einzelnheit lernen wir immer bestimmter uns vorstellen als die & einer bis dahin indifferenten Unendlichkeit erst wie

8 ausgeschiedne und ausgestofsne, in Eins gedrängte Unendlichkeit; also

durch eine Diflerenzirun

nichts weniger als mit absoluter und ursprünglicher Natur von Einfachheit an- gethan, sondern mit dem unvertilgbaren Erbtheil behaftet, immerfort, nie ra- stend, sich ausbreiten zu mögen in die Unendlichkeit, aus der sie stammt!

Vorbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 79

Dafs alle Eigenschaften eines wirklichen Polarisirungsverhältnilses, wie wir sie in der Form des Dualismus z.B. bei der Erregung von Electrici- tät und Magnetismus durch Vertheilung haben, auch allen den Gegensätzen in den Linearrichtungen der krystallinischen Structur, nur noch vielfacher, zukommen, beweist sich schon durch das Fortwachsen eines Krystalls, welches allein dadurch geschieht, dafs die schon krystallinische Masse eine in ihrer Wirkungssphäre befindliche, welche des gleichen krystallinischen Zustandes fähig ist, bestimmt, ihn grade so und nicht anders in Bezug der Lage der Richtungen im Raume anzunehmen, wie in der schon vorhandenen; sie wirkt also ganz polarisirend, ihren eignen Zustand weckend und hervor- rufend in der eben dieses Polarisirungsverhältnisses fähigen Masse, welche aufserdem, wenn sie ohne die Einwirkung der ersteren in den krystallini- schen Zustand getreten wäre, diesen, durch irgend einen andern Umstand bestimmt, in irgend einer der unendlich vielen andern relativen Lagen ange- nommen haben würde, nicht gerade in der Verlängerung des schon Vor- handnen. Aber nicht allein das Fortwachsen, sondern die beständigen bleibenden Eigenschaften, die ganze Dauer des Krystalls hindurch, ja diese selbst beweisen die ununterbrochne Fortdauer des so höchst mannich- fachen innern Polaritätsverhältnifses; und wie wäre denn die beständig fortdauernde Wirkung auf das Licht nur einen Augenblick denkbar, eben ohne jene!

Nun aber jene so mannichfaltigen inneren Unterschiede in den Rich- tungen der Structur auf chemische Qualitäten zu beziehen, dazu scheint uns keine nähere Erwägung zu berechtigen. Das Wägbare der Chemie möchte wenigstens diese inneren Structurdifferenzen nicht mehr angehen als Electri- cität und Magnetismus; daher sie so wenig dem, was die Chemie für Element hält, fehlen, als dem chemisch Zusammengesetzten; und es möchte eben so wenig gelingen, die rhomboedrische, als etwa die Arragonit-Structur aus den Bestandtheilen des kohlensauren Kalks zu begreifen, oder die des Quar- zes (und Haytorites) aus denen der Kieselerde u.s.f. Diesen Sinn che- mischer Bestandtheile nemlich scheinen die Structurqualitäten nicht zu haben, sondern vielmehr einen rein physikalischen.

Die Eigenschaft der Starrheit scheint jetzt aus den inneren ganz verschiednen Wirkungsweisen nach den verschiednen räumlichen Richtun- gen an der krystallinischen Masse aufs deutlichste abgeleitet werden zu

80 Wreıss:

können. Was von anderen Richtungen her ein und derselbe Punkt erfährt, ist nicht gleich dem, was er von den bestimmten Richtungen her einzel- nes erfährt, und was doch diese seine Daseynsform bedingt. Ist es aber nicht gleich, so kann es ihm auch nicht ersetzen, was er in demjenigen Ver- bande wirklich erfährt, in welchem er sich so eben befindet. Ein Wechsel der Stelle würde ihm jenes Maximum von Wirkung und Gegenwir- kung zur Gemeinschaft des Daseins nicht ersetzen; daher er, wenn eine äufsere Bewegung, welche ihn anders trift als seine Umgebung, ihn zu einem solchen Austausch der Stellen, gegen welche er auf die bestimmte Weise cohärirend wirkt, sollicitirt, dem Austausch widersteht, und seine eigne Bewegung an die Mitbewegung seiner Umgebung, ohne den vorigen Verband der Stellen aufzugeben, knüpft; daher also jener Widerstand gegen innere Verschiebung, welche das Wesen der Starrheit ausmacht, im Gegensatz gegen das Flüssige, welches einer jeden solchen Sollieitation weicht, weil ihm völliger Ersatz der Cohärenz durch jeden solchen Wechsel alsogleich dargeboten wird, weilin ihm die Richtungen der Cohärenz gleichgelten, und es also durch jeden Anlafs wirklich eine innere Ver- schiebung erleidet, welcher die eine Stelle anders in Bewegung setzt als die andere. Zum Zerreifsen, zum Aufgeben des Cohärirens irgendwo ohne Er- satz kommt es in dem einen wie in dem andern Falle bei Überschreitung der Grenze, innerhalb welcher noch eine verschiedne Sollieitation zur Bewegung für die verschiednen in gegenseitiger Cohärenz befindlichen Stellen mit der Fortdauer ihrer Cohärenz bestehen kann.

Nachgeben wird auch das Starre, verschiebbar sich noch er- weisen in sich da, wo nach geleistetem Widerstande über dessen Grenze hinaus Ersatz der Cohäsion durch Wechsel der Stellen wirklich erfolgt, wo also die vorige Cohäsion durch den geleisteten Widerstand bis auf einen Punkt vermindert ist, wo nun der Austausch wirklich gleich grofse neue Cohärenz, partielle wenigstens, darbietet. Partiell allerdings nur; denn gleichförmig nach allen Seiten wird dies in der Regel nicht Statt finden kön- nen; weshalb der starre Körper, wenn er die innere Verdrückung erduldet hat, in der Regel brüchig geworden ist. In dem gröfsern oder geringern Contraste dessen, was die Cohäsion von den verschiedenen Richtungen her dem Punkte oder der einzelnen Stelle darbietet, nächstdem auch in dem Gesetze der Schwächung des Cohärirens während des Actes des Widerstandes

Forbegriffe zu einer Cohäsionslehre. S1

gegen die Verschiebung, möchten wohl die Ursachen der verschiednen Grade von Sprödigkeit, Mildigkeit, Geschmeidigkeit starrer Körper mit genügender Strenge aufzulinden sein.

Was wir innre krystallinische Structur, blättrigen Bruch nennen, das legt den Unterschied in der Stärke des Cohärirens nach den verschiednen Richtungen als ein einfaches Factum an den Tag. Leichtere Trennbarkeit der krystallinischen Masse, geringerer Widerstand, den sie gegen Trennung leistet nach bestimmten Richtungen als nach den übri- gen, das ist ja die Thatsache selbst, und nicht mehr und nicht weniger. Kein Physiker würde aus ihr einen andern Schlufs ziehen wollen, als: die Kraft der Cohäsion in der Richtung senkrecht auf der Ebne des blättrigen Bruchs, als Resultante betrachtet von allen Richtungen, welche in ihr durchschnitten werden, ist ein Minimum gegen diejenige in den andern Richtungen, eben so betrachtet. Weil sie hier ein Minimum ist, darum findet leichtere Trenn- barkeit hier Statt. Der relativen Minima aber können in einer und der- selben krystallinischen Masse offenbar sehr vielerlei Statt finden. Damit begreift man auf der Stelle die ganze Mannichfaltigkeit des blättrigen Bruches und dessen verschiedene Grade von Vollkommenheit (welche nur auf dem Mehr oder Weniger des Unterschiedes der Cohärenz beruht) nach den ver- schiedenen Richtungen in einer und derselben Masse. Man begreift, dafs die Anlage zu noch wahrnehmbarem, minderem und minderem Unterschied nach verschiednerlei Richtungen unbestimmt vielfach ist und dafs die Beob-

achtung sehr bald aufhören wird, von solchem Unierschied ans Licht zu

ö bringen, was von ihm existirt, sobald nemlich der Unterschied aufhört so grofs zu sein, dafs er die Trennung beim Zerschlagen der Masse nöthiget, den Weg zu verlassen, welchen sie nach allgemein mechanischen Gesetzen in einer indifferenten Masse nehmen würde, und dagegen in diejenige nächst- liegende Richtung einzulenken, in welcher die krystallinische Structur ihr relatives Minimum von Cohärenz darbietet.

Aber wir können aus den Thatsachen des blättrigen Bruches ein neues Resultat ziehen, nemlich: dafs jene sich auszeichnenden Grund- richtungen in der krystallinischen Structur (unsre Grunddimensionen) nicht ein für allemal diejenigen sind, in welchen die absoluten Maxima oder Minima der Cohärenz liegen. Im Gegentheil beweist z.B. der würfliche Bruch (des Bleiglanzes, Steinsalzes u.s.f.), verglichen mit dem octa&dri-

Phys. Abhandl. 1832. L

32 Weiss:

schen (des Demantes, Flufsspathes u.s.f.) dafs einmal die Minima der Cohärenz in der Richtung der drei untereinander rechtwinklichen Grund- dimensionen selbst, das anderemal in den aus je drei derselben zusammen- gesetzten mittleren Richtungen liegen, wie denn, wo granato&drische Structur eben so entschieden das Herrschende der leichteren Trennbarkeit bezeichneten, die Minima der Cohäsion in den mittleren zwischen je zwei von den drei rechtwinklichen Elementardimensionen liegen, und auch damit die Möglichkeit andrer Lagen noch nicht erschöpft sein würde. Die Maxima der Cohäsion aber treten durch die Thatsache des blättrigen Bruches nicht so unmittelbar hervor, und würden erst mittelbarerweise zu folgern, oder auf anderm Wege zu finden sein. Es ist dies nicht blos an sich zu beachten, sondern es lehrt wohl auch deutlicher: wie das qualitativ in der Cohäsion sich auszeichnende, mit einem quantitativ Verschiednen von Stärke der Co- härenz zwar jederzeit verknüpft ist, aber in diesem quantitativen Unterschied nicht allein besteht.

Über die Hervorbringung der krystallinischen Gestalt, über die be- stimmte und wechselnde Selbst-Begrenzung der Masse durch Flächen, deren Gesetz das geradlinige ist, wäre nun ein Mehreres zu sagen. Fände ein solches Wechseln nicht Statt, wären es einmal für allemal für eine gege- bene krystallinische Structur die nemlichen Ebnen, welche zu den Begren- zungsflächen der, von aufsen ungehindert, in den starren Zustand tretenden Masse würden, oder ein sich gleichbleibender aliquoter Antheil, den die verschiednen an der Begrenzung nähmen, so möchte die Lösung des Pro- blems einfach genug aus dem Vorhergehenden sich zu ergeben scheinen. Man würde z.B. ein für allemal die absoluten Maxima der Zusammenzie- hungskräfte in den Richtungen senkrecht auf den Krystallflächen, die Ma- xima der Ausdehnungskräfte in den Richtungen der gröfsten Dimensionen der Krystallform suchen können. Aber dem ist nicht so. Der Wechsel eben, die Vertauschbarkeit sämmtlicher verschiednerlei Richtungen der kry- stallinischen Structur in ihrer Function, wenn es auf Begrenzung der Masse ankommt, ist eine erste allgemeine Thatsache; wir sehen eine und dieselbe Richtung der Structur, in der Begrenzung nach Umständen ganz gewifs jederzeit geregelt durch entscheidende Einflüsse bald die ganze Grenze des Körpers bewirken, bald zurücktreten bis auf Null gegen diese oder jene andere, bald jede erdenkliche Combination mit ihnen eingehen; ja es

Forbegriffe zu einer Cohäsionslehre. 83

wechseln nicht blos die verschiedenartigen in dem Antheil, welchen sie an der Begrenzung nehmen, sondern sogar die gleichartigen unter sich. Dies um so vieles verwickeltere Problem also seiner Lösung näher zu bringen, kann nur bei einer Fortsetzung dieser Arbeit unternommen werden; es ist mit der Beleuchtung der verschiednerlei Cohäsionszustände, wie man sieht, ohnehin nur der Anfang gemacht, ein grofser Theil noch ganz unberührt geblieben.

L2

De structura caulıs plantarum Monocotylearum.

Auct HH: 8): BIN.K.

mannannadnrnvar

[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 1. December 1831.]

ec caulis, partis plantarum primariae, e qua reliquae omnes emergunt, maximi esse momenti in ordinibus plantarum naturalibus con- stituendis satis patet. Sed parum sollieiti fuerunt hac de re Botanici, tum quia structuram huius partis non satis diversam putabant, ut chara- cteres sufficientes offerre possit, tum quia microscopicam observationem quae necessaria videbatur, nimis difficilem censebant pro characteribus inveniendis. Rem vero non ita sese habere, celeberrima observatione do- cuit Desfontaines, Botanicus egregius. Vidit enim structuram caulis Di- cotylearum et Monocotylearum maxime differre, in illo strata lignea in- veniri, in hoc vero fasciculos ligneos sparsos, ita ut facillimo negotio uterque dignosci possit. Res in eo substitit apud Auctores. Quaedam iam olim addidi; fasciculos ligneos in Dicotyleis prima aetate separatos esse et in eirculum dispositos ut in Monocotyleis, tum vero concretos strata lignea formare; differentiam supra dietam non solum locum habere in arborum et fruticum caule, sed quoque in herbis et tenerrimis; non omnes Dicotyleas strata habere lignea in caule, sed Cucurbitaceas pleras- que hac in re a Monocotyleis non differre. Sed longius procedendum erit et ordinum et formarum varietas accuratius inspicienda.

Nune sectiones transversales caulis e Monocotylearum serie rite de- pietas propono, uti microscopium ipsas exhibet, augmento mediocri cen- ties diametro obiecta augens. Fasciculos ligneos voco e vasis spiralibus compositos paucis magnisque et vasis fibrosis seu cellulis elongatis tenuibus raris, septis transversis praeditis. Facile igitur in sectione transversali di- gnoscuntur. In Tab.I. Fig.5. sectionem longitudinalem adieci, sed magis

86 Liwe:

auctam et quidem 600'* diametro, qua probatur, fasciculos ligneos ita com- positos esse uti dixi. Religuum spatium a cellulis aut maioribus et breviori- bus occupatur, contextum cellulosum laxum formantibus, aut a minoribus elongatis, ita ut septa transversa pauca adsint, quem contextum strietum vocamus.

GRAMINA. Caulis nam culmum dicas rationem non video fistulosus plerumgue est, e circulis duobus pluribusve fascieulorum li- gneorum, cortice e contextu stwricto Tab.I. Fig.1. e Tritico sativo. Iu- niore aetate corticem vix ullum habet, fascieulis ligneis prope ambitum positis at vasis spiralibus nondum declaratis. Maxima pars e vaginis folio- rum constat superimpositis accretis uti Fig.2. monstrat. Videmus Fig.3. modum, quo fasciculi maiores fiunt et separantur ut exterius stratum in vaginam folii transeat. Videmus itaque nodum oriri uti alias gemmam. Haec forma in omnibus, quas examinavi, Gramineis deprehenditur, sed cortex plerumque tenuior est.

Caulis senex Sacchari officinarum Graminis maximi Tab.1. Fig. 4. eonspieitur. Cortex exterior tenuis e contextu celluloso strictissimo, ordines seu eirculi faseiceulorum ligneorum plures, versus ambitum valde approxi- mati. Cavum in medio caulis contextu laxo repletum est. Fig.5. sectionem longitudinalem fascieuli lignei cum adiecto contextu laxo exhibet.

In Graminibus aquatieis vidi stratum contextus cellulosi laxi instar cortieis exterioris impositum, e.g. in Glyceria fluitante. In sectione trans- versali non apparet, sed tantum deglubendo culmum.

CYPEROIDEAE. Cortex fere defieit; fasciculi lignei prope am- bitum positi sunt. Plures conspiciuntur ordines seu circuli fasciculorum ligneorum. Singulare est, vix non semper lacunas in contextu celluloso fieri laxo, inter fasciculos ligneos regulari modo dispositas. Haec omnia conspiciuntur in Cypero pungente Tab.1. Fig.6. Quodsi lacunae in medio caule non conspieiuntur, versus ambitum tamen semper adsunt, e.g. in caule Scirpi atrovirentis Tab. 11. Fig. 1.

IUNCEAE. Caulis ut in Cyperoideis, cortice fere nullo, fascieulis ligneis in ambitu, ubique in circulos dispositis. Lacunae quoque in me- dio caule frequentissimae sed minores ac in Cyperoideis, fascieulis ligneis interpositis nullis, sed eorum loco fasciculis vasorum fibrosorum parvis. Cf. Zuncum tenuem Tab.Il. Fig. 2.

de structura caulis plantarum Monocotylearum. 87

E segmento caulis Tab.II. Fig.3. sat patet, Triglochin palustre longe ab hoc ordine naturali differre. Est enim in eo cortex e contextu laxo ut in plantis huius classis magis explicatis et perfectis, ita ut Liliaceas sequatur, ad Dicotyledoneas transiens. Optime igitur R. Brownius Alis- maceis associavit.

TYPHOIDEAE. Caulis ut in Gramineis cortlicem nullum habet nisi stratum contextus cellulosi stricti cum adultus fuerit. Accedunt fasei- culi lignei proxime ad ambitum, eorumque ordines multi adsunt. Singu- lare est, stratum contextus strieti non longe ab ambitu inter ordines fasci- eulorum ligneorum positum esse iuniore aetate interruptum, tum vero continuum. Analoga structura in Dicotyleis cernitur. Typhae tota structura singulari modo differunt a reliquis Monocotyleis, ut merito ordinem pecu- liarem constituant, antheris apice hiantibus, tribus in eodem positis fila- mento. Of. Typham latifoliam Tab.I. Fig. 4.

IRIDEAE. Cortex exterior e contextu celluloso laxo adest ut in sequentibus at tenuis ita ut fasciculi lignei ad ambitum proxime accedant. Cortieis interioris e contextu celluloso strieto composito nullum vestigium. Separantur folia a caule ut in praecedentibus, ita vero ut non aequales sint vaginae separatae sed hinc cerassiores illine tenuiores. Cf. Zxiam cro- calam Tab.H. Fig.5.

LILIACEAE. In his structura magis ad structuram Dicotylearum accedit; cortex enim exterior sat crassus e contextu celluloso laxo for- matus, ut in illis adest, et intra hunc conspieitur cortieis interioris e con- textu stricto formati initium. Fasciculi lignei versus medium caulis ma- gis remoti ordines formant plures in eirculos dispositos, ut in reliquis Monocotyleis. Plerique scapım habent, in quibus character non satis expressus est, attamen cognoscendus. Cf. Hyacinthi orientalis scapum Tab.II. Fig. 6.

CONVALLARIACEAE quae a plerisque ad Asparagineas referun- tur, a Liliaceis, quod caulis structuram attinet, non differunt. Cf. Con- vallarıam maialem Tab.1l. Fig. 1.

In ORCHIDEIS character hicce optime expressus apparet, prae- sertim in maioribus. Cf. Calanthes veratrifoliae scapum Tab.Il. Fig. 7.

COMMELINEAE quoque hune characterem optime expressum et

quidem magis, ac in Liliaceis ostendunt. Longe igitur distant a Iunceis

88 Lıwe:

et ad perfectiores Monocotylearum formas referendae. Cf. Tradescantiam albifloram Tab.1Il. Fig. 2.

In SMILACINIS, cortex exterior adest e contextu laxo et interior e contextu striecto ut in Dicotyleis, in quibus quoque non raro stratum interius contextus stricli in fasciculos seu portiones separatum est, prae- sertim in iunioribus. Hic cortex interior a fasciculis ligneis plane liber est ut in Dicotyleis solet. Cf. ramum adultum et multorum annorum Smilacis asperae Tab. III. Fig.3.

RUSCUS aculeatus, singularis planta est ob vasa spiralia minima ita ut omnino denegaverint huie stirpi observatores eximii. At non de- sunt, sed minima adsunt, ut in Pinis. Conveniunt cum prioribus, at fasci- culi lignei intra corticem interiorem strictum penetrarunt, ut in Asparagi- neis. C£. Tab. I. Fig. 4.

PARIS quadrifola, ad Convallariaceas pertinet, quod apparet, si rhizoma aut ipsum caulem contemplaveris. Planta haecce in flore nume- rum quaternarium omnium partium ostendit, cum in plerisque Mono- cotyleis ternarius sit. Sed pedunculo anatomice exposito res, quomodo sese habet, bene conspieitur. 'Tres enim fascieuli in seriebus tribus con- stituti, si exteriores in circulum dimoventur et medius dividitur ut partes interiores floris sistat, numerum octonarium formant seu quaternarium duplicem, quod Tab.IV. conspieitur, pedunculo ab inferiore parte ad su- periorem usque varlis sectionibus diseisso uti Fig. 1— 4; Fig. 1. infinam sectionem, Fig. 4. summam sistit.

Caulis PALMARUM, a Liliacearum structura recedit et ad Grami- nearum et Cyperoidearum structuram prope accedit. Non est compositus e petiolis, quamquam in ambitu talis videatur, at intima structura caulis repugnat. In ambitu vasa spiralia maiora solitaria contextu strieto et laxo eincta sunt Tab. IH. Fig.5. fere ut in Graminibus absque cortice. In medio vero fascieuli lignei e pluribus vasis maioribus constant, contextu stricto ut semper, tum quoque contextu laxo in lacunas diremto cincti, Fig. 6. ut in Cyperoideis. Petioli structura Fig. 7. conspicitur. Anatome a Ba- ctride spinosa desumta (*).

(*) Cum haec iam scripseram, accepi Hug. Mohlii praeclarum opus: De Palmarum stru- etura, Monachi 1831. Fol. imp.

de structura caulis plantarum Monocotylearum. 89

Duplicem itaque structuram caulis Monocotylearum invenimus, or- dines naturales distinguentem scilicet: 1) Cortex nullus adest, sed eirculus fasciculorum ligneorum extimus in ambitu positus conspicitur. Interdum stratum tenuissimum aut contextus cellulosi laxi impositum reperitur ut caulibus teneris mollibus e.g. Glyceria flutante, aut contextus cellulosi strieti ut in durioribus firmis, e.g. Saccharo officinarum. In sectione trans- versali utrumque vix conspieitur. Tum 2) Cortex adest tam exterior e contextu celluloso laxo, quam interior e contextu celluloso strieto com- positus. Structura prima simplicior Graminibus, Cyperoideis, Tunceis, Typhoideis, Irideis, Palmis propria, altera magis composita Liliaceis (Ilya- einthinis, Liliaceis striete sie dietis, Alliaceis), Asparagineis, Smilaeinis propria. Secundum hanc structurae diversitatem in duas cohortes Mono- cotyleae disponi possunt.

Fasciculi lignei exteriores partitione vaginas foliorum (ramosque si adsunt) formant, interiores partes floris. Paridis exemplum luculentum transitum a numero ternario ad quaternarium eleganter demonstrat.

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Bericht über eine auf Madagascar veranstaltete Samm-

lung von Insecten aus der Ordnung Coleoptera.

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[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 29. März 1832.]

D. Sammlung von Insecten aus der Ordnung der Coleopteren, welche der Gegenstand des gegenwärtigen Berichts ist, ist im Jahre 1830 von einem jungen französischen Reisenden, Hrn. Goudot, während seines Aufenthalts auf der Ostküste von Madagascar zusammengebracht und dem hiesigen Kö- niglichen Museum der Universität überlassen worden. Ein günstiges Zu- sammentreffen von Umständen hat dem Museum auch die einzeln gefunde- nen, unter ihnen viele durch Gröfse und Schönheit ausgezeichnete, Stücke zugeführt, und da auch die Zahl der Arten im Verhältnifs zu den schon beschriebenen bedeutend ist, so zweifle ich nicht daran, dafs nicht eine Aus- einandersetzung und Beschreibung derselben als ein nicht unwichtiger Bei- trag zu einer Insectenfauna von Madagascar werde angesehen werden.

Wie überhaupt unter den Insecten die Ordnung der Coleopteren von jeher mehr als irgend eine andere beachtet worden ist, so sind auch, obgleich es auf Madagascar Insecten aus allen Ordnungen unstreitig in grofser Menge und Mannigfaltigkeit giebt, dorther hauptsächlich nur Coleopteren, und selbst diese nur in sehr geringer Zahl, bis jetzt nach Europa und zur öffent- lichen Kenntnifs gebracht worden. Es sind aber selbst diese ungemein spar- sam verbreitet und fast nirgend, als in dem Pariser Museum bisher zu finden gewesen, von welchen Olivier in seiner Eintomologie und in der Eincyclo- pedie methodiqgue meines Wissens allein Nachricht gegeben, Fabricius da- gegen in seinen verschiedenen systematischen Schriften keine andere, als Oliviersche Arten aufgeführt hat. Es ist aber aufserdem mit grofser Wahr- scheinlichkeit, ja für gewifs anzunehmen, dafs Verwechselungen in Hinsicht des Vaterlandes selbst bei den von Olivier bekannt gemachten Arten noch

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92 Kıue:

oft genug statt gefunden haben, so dafs nicht einmal alle, als deren Vater- land Madagascar angegeben ist, dort wirklich zu finden sind, obgleich auf der andern Seite auch Arten, die sicher nur auf Madagascar zu Hause ge- hören, als anderswo, besonders in Ostindien, einheimisch aufgeführt wor- den sind.

Als solche Arten, bei welchen Madagascar als Aufenthaltsort sicher nur aus Irrthum angegeben worden ist, nenne ich zuerst Saperda plumigera, bekanntlich eine in Brasilien gemeine Art, von der es durchaus nicht glaub- lich ist, dafs sie sich auch auf Madagascar finden sollte; ferner Chrysomela 20-guttata, die häufig am Kap gefunden wird und Calandra serrirostris, die auf Java zu Hause ist. So ist auch die Frage, ob nicht die von Olivier aufge- führten drei angeblich Madagascarischen Arten der Gattung Brachycerus: maculatus, ferrugineus und crenatus, sämmtlich vom Kap stammen, wo so viele ihnen höchst ähnliche Arten gefunden werden. Aufser jenen als zwei- felhaft erwähnten sind aber nicht mehr als überhaupt 21 Arten von Mada- gascar in Olivier’s Käfer-Werke beschrieben; unter diesen acht Lamelli- cornen, nemlich vier Arten Onthophagus, von welchen O. dorcas auch in Östindien, am Kap und Senegal zu treffen, eine Melolontha (Commersonü), eine Cetonia und die beiden bekannten Arten der seltenen und merkwürdi- gen Gattung //exodon; ferner drei Arten Buprestis und zehn Curculioniden, unter letztern einige Arten, nemlich C.leprosus und strumosus, welche gleich den ihnen verwandten, wahrscheinlich in Süd - Amerika, nicht auf Madagascar einheimisch sind. Die bemerkenswerthesten Curculioniden sind ein neuer Apoderus uud die Calandra Monacha. Aber selbst später und in der neue- sten Zeit sind noch immer nicht viele Coleopteren von Madagascar bekannt geworden. Nur folgender kann ich in dieser Hinsicht erwähnen, nemlich: des Zlater nobilis Illiger, der unter diesem Namen zuerst in Wiedemann’s Archiv Bande, und dann neuerdings von Latreille im 3'* Bande der letzten Ausgabe von Cuvier’s Regne animal als Taupin double-croix, mit Beifügung einer Abbildung, doch ohne Angabe des Vaterlandes, beschrieben worden ist; ferner: fünf von Dejean im 5'* Bande der Species general aufgeführter Carabiei. Es sind dies: zwei Drachinus, ein Scarites, ein Dis- trıgus, ein Harpalus und der //ypolithus holosericeus, letzterer übereinstim- mend mit den am Senegal gefundenen Exemplaren. Dann ist auch ein C’hlae-

nius von de Laporte unter dem Namen Chl. madagascaricus im 1°" Heft

Insecten von Madagascar. 93

von Silbermann’s Revue entomologique bekannt gemacht. In Gu£rin’s Magasin d’Entomologte sind beschrieben und abgebildet: aus einer von La- porte Zuryelera genannten Gattung eine nene Art: Z.armata und ein Zam- pyris: L.madagascariensis. Aus der Familie der Brachelytren beschreibt einen Osorius: O. incisiecrurus Latreille im 1*“® Bande der Now. Annal. du Mu- sce d’histoire naturelle. Zwei Untergattungen und eben so viele Arten Prio- nü: Hoplideres spinipennis Dupont und Closterus Jlabellicornis Chevro- lat, finden sich von Audinet-Serville im 3'* Hefte, so wie ein durch seine Gröfse ausgezeichneter Elater, E. madagascariensis, von Gory im 4” Heft des ersten Bandes der Annales de la societe entomologique de France be- schrieben. Endlich ist der Coprobius viridıs Lat. in Gu&rin’s Jconogra- phie du regne animal und Edward Griffith’s the animal kingdom zwar kenntlich abgebildet, doch fehlen zur Zeit Beschreibung und Angabe des Vaterlandes. Es beläuft sich hiernach die Zahl der bisher durch Schriften bekannt gewordenen Käferarten, bei denen entweder Madagascar als Vater- land unzweifelhaft richtig angegeben, oder von denen sonst mit Sicherheit bekannt ist, dafs sie dort einheimisch sind, auf nicht mehr als 35, von welchen in der hiesigen Sammlung 21 vorhanden sind, aber nicht mehr als zwei, nemlich Melolontha Commersonü und Buprestis ventricosa, schon frü- her, vor dem Eintreffen der Goudotschen Sammlung, vorhanden waren. In letzterer befanden sich aber auch folgende von Olivier schon beschrie- bene, irrthümlich theils für Amerikanische, mehrentheils aber für Ostin- dische angegebene Arten: Zamia maculata, Apoderus humeralis, Prionus cinnamomeus, der mit der Linneischen Art nicht verwechselt werden darf, Galeruca unifasciata und Coccinella pavonia, wodurch die Summe der be- schriebenen Arten auf 40, der davon hier vorhandenen auf 26 steigt. Ge- dachte Sammlung bestand aber aus überhaupt 212 Arten, also 172 mehr, als bisher beschrieben gewesen. Von diesen 212 Arten selbst gehörten aber nicht mehr als 31 zu den in Büchern erwähnten und es stellt sich hiernach die Zahl der unbeschriebenen Arten auf 181. Es waren darunter Gattungen fast aus allen Familien, unter denen natürlich bei der geringen Zahl der bisher bekannt gewordenen sich mehrere befinden mufsten, von welchen es theils nicht zu vermuthen, theils wenigstens unbekannt gewesen, dafs sie sich auch auf Madagascar hielten. Diese sammt ihren Arten anzugeben, ihre Eigenthünlichkeiten und Unterschiede in systematischer Beziehung her-

94 Kıve:

vorzuheben, ist besonders meine Absicht bei diesem Bericht. Ich habe mit sehr wenigen Ausnahmen in demselben die Gattungsfolge, wie sie Latreille in der neuen Ausgabe von Cuvier’s Regne animal aufstellt, schon deshalb beobachtet, weil sie fast allgemein gekannt und angenommen ist, so dafs ein Jeder derselben am leichtesten wird folgen können, und weil wir jene Zu- sammenstellung noch immer als die gelungenste betrachten müssen, wenn- gleich sie auch an Mängeln leidet, vornehmlich insofern an der Sicherheit eines in seinen Hauptabtheilungen auf die Zahl der Fufsglieder gegründeten Systems manche Zweifel sich erheben lassen; denn es mufs jedem Forscher, und dem, obgleich im hohen Alter, für die Wissenschaft und ihre Verehrer doch viel zu früh gestorbenen Latreille gewifs zuerst, aufgefallen sein, dafs die Fufsgliederzahl oft verschieden bei sonst nahe verwandten Gattungen, selbst abweichend bei den verschiedenen Geschlechtern einer Art, dabei in manchen Fällen so schwer richtig zu ermitteln ist, dafs dies in höherem Maafse von den innern Theilen des Mundes kaum gelten möchte und jene Zahl selbst zuweilen völlig zweifelhaft bleibt, welches letztere besonders von den- jenigen Gattungen gilt, wo das eine Fufsglied, entweder das erste oder vierte, gegen die übrigen klein und versteckt ist, den sogenannten Tetrameren nemlich und allen übrigen Gattungen mit anscheinend oder wirklich ver- minderter Fufsgliederzahl.

Überblicken wir nun die Goudotsche Sammlung in der erwähnten Ordnung, so bemerken wir, dafs in ihr von der allgemein verbreiteten Fa- milie der Raubkäfer eine recht ansehnliche Menge aus sehr verschiedenen Gattungen vorhanden ist, welches um so erfreulicher sein mufs, als in frü- heren Zeiten auch nicht ein Raubkäfer dorther bekannt gewesen ist und nicht mehr als fünf in Dejean’s so umfassender Monographie der Carabi- cinen beschrieben sind. Von den Cieindeletae fehlen zwar die an Arten we- niger zahlreichen, überhaupt seltneren Gattungen, namentlich die Gattung Megacephala, die dort wohl zu vermuthen gewesen wären, gänzlich, nicht so aber die eigentliche Gattung Cicindela. Von dieser enthält die Samm- lung vielmehr zwei Arten, die eine der in Ägypten schr gemeinen C.aegyp- tiaca verwandt, die andere von einer ziemlich gewöhnlichen Süd - Afrikani- schen Bildung. Arten der eigentlichen Gattung Carabus, die so verbreitet in Europa und dem angränzenden Asien, aufserdem nach den bisherigen Ermittelungen nur in Nord- Amerika und in Mexico noch zu treffen sind,

Insecten von Madagascar. 95

scheinen auch in Madagascar eben so zu fehlen, wie sie Afrika überhaupt, Ägypten nicht ausgenommen, Östindien und dem eigentlichen Süd - Amerika fremd sind. Von andern Carabicis dagegen finden sich zunächst die beiden neuerdings von Dejean beschriebenen Brachinen vor, denen ähnliche sich besonders am Senegal, ferner auf Java, einige auch in Süd-Amerika (Cayenne und Brasilien) finden, dann von Calleida, einer durchaus aufser- europäischen Gattung, eine ausgezeichnete Art; von Demetrias, einer rein Europäischen Gattung, ebenfalls eine Art, welche jedoch, wenn gleich sie den Gattungs- characteren nach zu Demetrias gezählt werden mufs, die gewölbtere Form und die Sculptur der Deckschilde merklich unterscheiden. Die Gattung Lebia scheint auf Madagascar zu fehlen, aber es tritt an deren Stelle eine durch ihre flachgedrückte Gestalt ihr verwandte, durch die Bewaffnung der Deckschilde mehr zur Gattung Catascopus sich hinneigende, neuerdings gleichzeitig von Dejean und Laporte unterschiedene Gattung, die, indem die Goudotsche Sammlung allein fünf Arten derselben enthielt, während Dejean in seinen Species überhaupt nur vier (von Java, Ile de France und vom Senegal) hat aufstellen können, vorzugsweise auf Madagascar einhei- misch zu sein scheint. Dejean hat diese Gattung im 5 Bande seiner Spe- cies: T’hyreopterus, de Laporte in Guerin’s Magasin d’Entomologie: Eu- rydera genannt und sie für verschieden von der eben erwähnten Dejean- schen Gattung gehalten. De Laporte hat nur die am häufigsten auf Ma- dagascar vorkommende Art beschrieben und abbilden lassen, während De- jean keine von dort aufführt und nur bemerkt, dafs die von Goudot ge- fundenen Arten ihm zu seiner Gattung T’hyreopterus zu gehören scheinen. Letztere Vermuthung mufs auch wohl für die richtige erkannt werden; denn wenn auch ein Unterschied zwischen Z’hyreopterus und Eurydera darin sich findet, dafs bei der ersteren Gattung das Halsschild mehrentheils gerundet ist und die Deckschilde an der Spitze nur ausgerandet oder gebuchtet sind, bei der andern das Halsschild jederzeit herzförmig ist und die Deckschilde mit einem langen und scharfen Dorn bewaffnet sich endigen, so finden sich doch andere erheblichere und wesentliche Unterschiede zwischen beiden nicht, und es giebt auch unbewaffnete Arten mit herzförmigem Halsschilde, daher auf den Grund jener Verschiedenheiten nur Unterabtheilungen in der Gattung, welcher die ältere Dejeansche Benennung gebührt, zu gestatten sein werden. Es würden dann zu der einen die Arten mit gedornten Deck-

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schilden, die bisher allein auf Madagascar gefunden worden (de Laporte’s Eurydera), zur andern die Arten mit nur gebuchteten und unbewaffneten Deckschilden, und zwar aufser einer von Madagascar aus der Goudotschen Sammlung, die sämmtlichen bekannten Ost-Indischen und Afrikanischen Arten (T’hyreopterus Dej.) gerechnet werden müssen.

Von der Gattung Scarites enthielt die Sammlung drei Arten, von welchen eine (Se. madagascariensis Dej.) sich dem Asiatischen Sc. salinus in Form und Gröfse nähert, die zweite durch verhältnifsmäfsig kurze, dabei stark gefurchte Deckschilde auffällt, die dritte endlich eine durch ihre sehr ansehnliche Gröfse, ibren ungewöhnlich breiten Kopf, ein stark herzför- miges Halsschild und flache, gerandete Deckschilde von allen bekannten Formen abweichende Art ist.

Von der Gattung Morio war eine dem M. monilicornis von Cayenne sehr ähnliche Art, von Harpalus waren deren zwei, auch waren ein Ste- nolophus und ein /rgutor vorhanden. Es fand sich auch ein Bembidium ce- lere, ganz wie es in unserer Gegend vorkommt, so dafs auch bei der genaue- sten Untersuchung nicht die geringste Abweichung daran hat bemerkt wer- den können. Noch sind aufzuführen: zwei Arten Drimostoma, ein dbace- tus, ein Poecilus, sämmtlich nichts Auffallendes zeigend; ein Tetragonode- rus, dem 7. 4-notatus vom Senegal verwandt; zwei Arten Platymetopus, von welchen die eine, Pl. interpunctatus Dej., auch in Ost-Indien einhei- misch ist; endlich der Hypolithus holosericeus, zwar etwas grölser als der vom Senegal, anscheinend mit etwas längerem Halsschilde, doch unzweifel- haft derselbe und durch bestimmte Kennzeichen nicht zu unterscheiden. Noch fanden sich: zwei Arten Epomis, die eine dem Z. Croesus vom Sene- gal ähnlich, die andere kleiner und schlanker; drei Arten C’hlaenius, eine dem C. arcuatus von Ile Bourbon, eine andere dem Europäischen Felutinus, die dritte (Laporie’s Chl. madagascaricus) dem Chl. suleipennis aus Ägyp- ten in Form und Färbung verwandt; von Panagaeus eine sehr schöne Art, dem P.nobilis ähnlich, doch mit aufgeworfen gerandetem, überall sehr breiten, hinten kaum verengten Halsschilde, so dafs hier die Verbindung zwischen den auch in ihrer Palpenbildung so übereinstimmenden Gattungen Panagaeus und Cychrus durch Scaphinotus, und ferner mit Zurysoma, einer rein Brasilischen Gattung, wo ebenfalls das Halsschild sehr bemerkenswer-

then Abänderungen unterworfen ist, um so deutlicher hervortritt. Endlich

Insecten von Madagascar. 97

enthielt die Sammlung nur in einem männlichen Exemplar noch eine Art einer neuen, etwa in der Mitte zwischen 4gonum und Oltisthopus stehenden, durch ihren schlanken Bau ausgezeichneten Gattung, welche ich mit dem Namen Zuleptus belegt und als unterschieden von den verwandten Gattun- gen besonders daran erkannt habe, dafs gleichzeitig: an den Vorderbeinen des Männchen die drei ersten Fufsglieder erweitert, länglich vier- eckig, schräg abgeschnitten, die Klauen einfach sind, das Kinn weit ausgerandet, ohne Zahn in der Mitte, das Endglied der Palpen zugespitzt, der Halsschild fast herzförmig nach hinten verschmä- lert, seitwärts aufgeworfen und im Winkel vorgezogen ist. (tarsi antici marıs artıculis tribus prioribus crassioribus apice oblique truncalis; unguiculi sim- plices; mentum late emarginatum, dente intermedio nullo; thorax subcordatus, angulis posticis reflesis, acutis.) Im Allgemeinen ist dieser Gattung ein schlanker, schmaler Körperbau eigen, der Kopf verliert nach hinten in der Breite, die Lefze ist queer viereckig, die Mandibeln treten hervor, sind einfach zugespitzt. Das Kinn ist einfach ausgerandet, die Unterlippe läng- lich, an der Spitze gerade abgeschnitten. Länger als die Lippe selbst sind die lanzettförmigen Nebenzungen. Die Maxillen sind linienförmig, einfach gekrümmt und zugespitzt, inwendig gefranzt. Die Tasterglieder sind ein- fach eylindrisch, das erste Glied ist immer das kürzeste, das letzte läuft spitz aus. Die Fühler sind fadenförmig, das erste Glied ist kürzer als das dritte, das zweite sehr kurz, das vierte so lang als das dritte, die übrigen sind etwas kürzer, unter sich von gleicher Länge. Der Halsschild ist fast herzförmig, nach hinten etwas schmaler, aufgeworfen, in Winkel vortre- tend. Die Beine sind sehr dünn, die Fufsglieder der hinteren Beine lang und cylindrisch, die Deckschilde an der Spitze kaum ausgerandet. Raubkäfer im Wasser, Hydrocanthari, konnten auf Madagascar so wenig fehlen, wie sie in irgend einem Erdtheil gänzlich mangeln. Die Samm- lung des Hrn. Goudot enthielt jedoch nur kleinere Arten dieser Abthei- lung, nemlich einen Aydaticus Leach, unserm Dyt. cinereus zu verglei- chen, einen kleinen Zaccophilus, einen dem hier so gewöhnlichen ovatus ähn- lichen Hyphydrus und einen Gyrinus von eben so wenig auffallender Form. Aus der ebenfalls sehr weit und wahrscheinlich eben so allgemein verbreiteten Familie der Brachelytren sind aufser einigen sich auszeichnen- den Formen auch Arten von ganz gewöhnlicher Bildung auf Madagascar

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gefunden; zu letztern gehört ein dem gewöhnlichen (Staphyl.) mazillosus sehr ähnlicher #nus und eine kleine Zleochara, von der Aleoch. opaca Gr. nur wenig verschieden, zu erstern ein Staphylinus mit seitwärts zusammen- gedrücktem Halsschilde, ein merkwürdiger Aantholinus und der von La- treille beschriebene Osorius, wie ähnliche aufserdem noch in Brasilien und Mexiko vorkommen, endlich ein besonders schöner Paederus; überhaupt sechs Brachelytren.

Aus der Familie der Serricornen ist vor allen Dingen der Gattung Buprestis zu erwähnen, von der mehr als von irgend einer andern die Gou- dotsche Sammlung ansehnliche und merkwürdige, manche nur in einzelnen Exemplaren vorhandene Arten enthielt. Es waren überhaupt 16, sämmtlich unbeschriebene Arten, doch aus den Abtheilungen, welchen das Schildchen mangelt, den Gattungen Sternocera, Jalodis und demaeodera Eschsch. keine, so reich diese Abtheilung sonst an Afrikanischen Arten ist. Von Jgrius fanden sich zwei, die eine Art breiter als andere bekannte, mit im Verhältnifs zum Hinterleibe so verengten Deckschilden, dafs der erstere seitwärts weit mehr als gewöhnlich unbedeckt hervorragte. Die übrigen Arten gehörten der eigentlichen Gattung Zuprestis an, mehr oder weniger in die Nähe der Untergattung Dicercus Esch. Bei einer derselben finden wir den Halsschild seitwärts stark erweitert, bei einer andern die Deckschilde an den Schultern stark hervortretend, viele ungewöhnlich flach gedrückt, den Halsschild nach vorn schmal, den Körper in der Mitte stark erweitert, nach hinten schnell verschmälert, fast ohne Ausnahme neue, nie vorher und nirgend anders beobachtete Formen. Graf Dejean hat im neuen Catalog seiner Käfersammlung drei dieser Arten zu einer eignen Gattung: Polybothris, ver- einigt. Endlich tritt noch eine Art in die Nähe der mit mehreren verwand- ten Arten ebenfalls erst neuerdings von Graf Dejean festgestellten Unter- gattung Sphenoptera, gehört mithin einer Abtheilung an, von welcher es zwar einige Europäische, sonst aber nur Afrikanische und Asiatische Ar- ten giebt.

Aus der Gattung Zlater zählte die Sammlung dreizehn Arten, von welchen die ausgezeichnetste unstreitig der vorhin schon erwähnte El. (Cte- nicera Lat.) nobilis ist. Das von Illiger beschriebene Exemplar ist nach der hierüber im Wiedemannschen Archiv gegebenen Nachricht auf einem Schiffe gefangen worden, welches eben aus dem Arabischen Hafen Muscat

Insecten von Madagascar. 99

abgesegelt war. Dafs dasselbe Insect auch auf Madagascar angetroffen wor- den, darf daher um so weniger befremden. Andere bemerkenswerthe Arten waren eine dem Zl. nobilis verwandte, ferner ein #grypnus (Esch.), ausge- zeichnet durch Höcker auf dem Halsschilde, und ein Conoderus (Esch.), dessen Halsschild nach vorn zu jeder Seite in einen dornförmigen Fortsatz verlängert war; die übrigen Arten gehörten mehrentheils zur Untergattung Agrypnus und waren in diesem Fall dem Z/. murinus mehr oder weniger ähnlich. Eine dem Östindischen Zl. tridentatus sehr ähnliche Art gehört zur Gattung Zlater, wie sie Eschscholtz beschränkt hat, zwei gehören zu Cardiophorus Esch., ein sehr kleiner nur 1-- Linien langer Käfer zu Esch- scholtz’s Hypokithus.

Von Zampyris enthielt die Sammlung nur eine Art, der Östindischen L. vespertina am ähnlichsten, doch mit auffallend verkürztem Halsschilde;

von Dietyoptera Latr., einer Gattung, die von Homalisus wohl nicht zu

o? trennen sein möchte, zwei Arten, von Sils Latr., die wohl wieder mit Can- tharis (T’helerhorus Lat.) zu vereinigen sein wird, eine Art, endlich einen durch Färbung und Gestalt ausgezeichneten T'ilus.

Zu Silpha gehörend enthielt die Sammlung keine Art, nur eine äufserst kleine Peltis, fast von der Gestalt der P.oblonga. Noch kömmt aus der Familie der Clavicornes die Gattung Hydrophius in Betracht, von welcher eine zu den gröfsern gerechnete, dem H. ater verwandte Art sich vorfand, doch so wenig von einer Östindischen, nach brieflichen Mittheilungen von Esch- scholtz ZH. resplendens, von Latreille ruficornis genannten verschieden, dals sie als eigne Art nicht betrachtet werden kann; dann ein Sphaeridium, dem gewöhnlichen ‚$. scarabaeoides nicht unähnlich, und drei andere Sphä- ridien aus der Abtheilung, die Leach mit dem besondern Gattungsnamen Cercydium belegt hat.

Die Familie der Lamellicornen entbehrt auf Madagascar, wie es scheint, der sehr grofsen Arten aus der Gattung Geotrupes F. (Scarabaeus Lat.), durch

welche dieselbe sonst so ausgezeichnet ist; wenigstens waren in der Gou-

8 dotschen Sammlung keine dieser ansehnlicheren Arten enthalten. Aber unter den im Dünger lebenden Arten zeichneten sich einige durch Schönheit und verhältnifsmäfsige Gröfse aus, zunächst ein Canthon Ill. (Coprobius Lat.) von stark gewölbtem Körper und überaus schön grün glänzender Färbung, welchem eine zweite Art sehr nahe steht, die nur durch die sehr deutliche,

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bei der ersten fehlende Punktirung von derselben unterschieden ist, wahr- scheinlich der Coprobius viridis Latr. Doch ist es leicht möglich, dafs die angegebenen Eigenschaften nur einen Geschlechtsunterschied begründen, wie wir ähnliches bei mehreren Arten der verwandten Gattung Chaeridium (Lepell.) finden. Zu den ausgezeichnet schönen Arten gehören auch die schon von